„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Dienstag, 31. Januar 2023

Unbrauchbare Adjektive

Es gibt kein brauchbares Adjektiv für „Volk“. Volkhaft? – Klingt gleichermaßen unbeholfen wie anrüchig. Völkisch? – Ist definitiv anrüchig! Volklich? – Verwechselbar mit folglich. Volkig? – Verwechselbar mit wolkig. Volksam? – Verwechselbar mit folgsam.

Fazit: man sollte die Finger davon lassen. Entweder macht man sich lächerlich oder verdächtig.

Sonntag, 22. Januar 2023

Lanz bei 3 nach 9

In der aktuellen Talkshow „3 nach 9“ hat Markus Lanz frontal Dietrich Grönemeyer und damit indirekt auch Leah Weigand (Pflegerin, Medizinstudentin und poetry-slammerin) angegriffen. Markus Lanz, dessen Talkshow und Podcast ich bislang regelmäßig sah und hörte, verfolgt seit kurzem das Projekt, alles ins Positive umzubiegen, weil ihm der verbreitete Pessimismus und Katastrophismus gegen den Strich geht.

Er unterstellte Grönemeyer, er habe die Arbeit der Ärzteschaft schlechtgeredet. Was er definitiv nicht getan hat! Grönemeyer hatte vom „System“ Krankenhaus gesprochen. Als er protestierte, ließ Lanz ihn wie einen dummen Jungen dastehen und entgegnete: „Doch, doch, haben Sie!“ – Lanz hatte wohl vergessen, daß er nicht in seiner eigenen Talkshow saß, und attakierte Grönemeyer, als wäre er der Moderator und nicht Giovanni di Lorenzo.

Lanz sprach von seinen immer guten Erfahrungen mit Ärzten und Pflegepersonal in Krankenhäusern und maßte sich damit an, die Innenperspektive von Leah Weigand, die als ehemalige Pflegerin ihre eigenen Erfahrungen gemacht hatte, zu korrigieren. Als wenn sich seine und ihre und Grönemeyers Erfahrungen widersprechen müßten! Und als wenn seine eigenen Erfahrungen den Erfahrungen anderer Patienten, die möglicherweise keine so guten Erfahrungen aufweisen können, überlegen wären! – Er setzt einfach seine Erfahrungen als allgemein voraus, und alle anderen reden Unsinn und machen nur alles schlecht. Dabei geht es uns allen doch so gut.

Grönemeyer hat kein einziges Mal die Arbeit von Ärzten und Pflegern diskreditiert. Lanz hat Herrn Grönemeyer bitter Unrecht getan. Ihm ging es nicht um die Sache, sondern darum, eine schöne heile Welt zu behaupten, womit er indirekt auch Weigand düpierte, der er später nochmal zu ihrem Gedicht gratulierte, als hätte es mit Grönemeyers Anliegen nichts zu tun. Nicht zum erstenmal hatte ich das Gefühl, daß Lanz nichts begriffen hatte.

Giovanni di Lorenzo unterstützte Lanz dadurch, daß er im Anschluß meinte betonen zu müssen, daß die Belegschaften in den Krankenhäusern alle gute Arbeit leisten. Als wenn das nicht genug klar gemacht worden wäre. Als wenn Grönemeyer irgendwo etwas anderes zum Ausdruck gebracht hätte. Das gemeinsame Thema von Grönemeyer und Weigand ist das reformbedürftige System Krankenhaus gewesen, nicht die mangelhafte Arbeit der Belegschaften. Aber Lorenzos ‚Klarstellung‘ ließ, um so mehr als er nichts zum Schutz Grönemeyers unternommen hatte, im Anschluß von Lanzens Attacke diese beiden Gäste in einem zweifelhaften Licht dastehen. Nur Helge Schneider fand ein paar klärende Worte, die aber bei Lanz nicht ankamen.

Ich habe immer gerne Lanzens eigene Talkshow und den gemeinsamen Podcast mit Precht gesehen und gehört. Aber so wie er mittlerweile seinen persönlichen Kreuzzug gegen das Negative führt, hat er mich verloren. Sachlichkeit sieht anders aus.

Freitag, 20. Januar 2023

„Aber die Wahrheit ist ...“

Der heutige Ausgabe von „Lanz & Precht“ ist für mich wiedermal sehr ärgerlich. Lanz beschwert sich, nicht zum erstenmal, über den Pessimismus, den Katastrophismus der Deutschen angesichts der Klimakrise. „Aber die Wahrheit ist“ – eine von Lanzens geliebten, immer wieder gebrauchten Redewendungen –, daß der technische Fortschritt doch auch so viel Gutes gebracht habe. Von Precht zunächst unterstützt verweist Lanz auf die höhere Lebenserwartung, die großartigen Leistungen der Landwirtschaft, die eine immer größere Weltbevölkerung ernährt etc. Da wären doch solche Probleme wie die Vernichtung von Böden, ich gebrauche jetzt mal meine Worte, Pipifax.

Ähnlich argumentiert Lanz immer in seiner Gesprächsrunde, wenn er mit Klimaaktivistinnen diskutiert.

Es fällt offensichtlich kaum jemandem auf, daß weder Optimismus noch Pessimismus etwas mit Urteilskraft zu tun haben, und die historisch einzigartige Krisendimension wird als Teil der üblichen, wiederkehrenden Krisen verniedlicht. Denn, darin sind sich Lanz und Precht einig, schließlich ist es ja bislang nach jeder Krise wieder bergauf gegangen.

Aber Precht zuehren muß ich zugestehen, daß er Lanz in seinem Optimismusüberschwang auch ausbremst.

Ich mochte eigentlich immer, wie Lanz seine Gesprächsrunden moderiert. Ich halte ihn für redlich. Und er ist hartnäckig. Aber eine besondere Geistesgröße ist er nicht. Was z.B. bei ihm von der Lektüre von Ulrike Herrmanns Buch hängengeblieben ist, sind nur die Anekdoten, die Herrmann zur Veranschaulichung ihrer These zum Ende des Kapitalismusses dienen. Von der These selbst hat er nichts verstanden. Als Precht ihn in einem früheren Gespräch fragte, ob Ulrike Herrmann denn auch Lösungen vorschlage, verneinte er das, was schlichtweg falsch ist. Entsprechend lag auch Prechts auf Lanzens Infos basierendes Urteil über ihr Buch daneben.

Was folgt daraus? Bücher, vor allem die wichtigen, immer schön selbst lesen!

Dienstag, 17. Januar 2023

Kompromißbildung und Güterabwägung

Politische Entscheidungen basieren immer auf Kompromissen. Gesetze kommen nie so aus dem Parlament heraus, wie sie ins Parlament eingebracht wurden. Das wird auch gerne als Argument gegen die verbreitete Unzufriedenheit und Frustration unter Bürgerinnen und Bürgern verwendet, wenn diese mit solchen Gesetzen konfrontiert werden. Das gilt selbstverständlich auch für frühere politische Entscheidungen zum Braunkohletagebau. Nur haben wir hier ein Problem ganz anderer Art: der Braunkohletagebau greift in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein; am sinnfälligsten dort, wo Dorfgemeinschaften dem Tagebau weichen und individuelle Lebens- und Wohnverhältnisse aufgelöst werden. So schon seit hundert Jahren. Und seit den immer sichtbarer werdenden Folgen des Klimawandels auch, was die Möglichkeit künftiger Generationen betrifft, ihr Leben zu führen.

An dieser Stelle kommen wir in den Bereich der Güterabwägung. Auf den ersten Blick sieht es aus, als ginge es hier wieder darum, Kompromisse zwischen dem individuellen Wohl und dem Gemeinwohl zu finden. Aber tatsächlich haben wir es bei der Güterabwägung mit etwas völlig anderem zu tun. Die Notwendigkeit, unveräußerliche Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen, ist der Grund, warum wir ein Grundgesetz haben.

Die Grundrechte


Das Grundgesetz schränkt im Bereich der Grundrechte die Möglichkeit der Kompromißbildung erheblich ein. Das erste, was das Grundgesetz festlegt, ist, welches Gut auf keinen Fall gegen andere Güter abgewogen werden darf: die Würde des Menschen. Damit haben wir einen Vorrang des Individualrechts vor den Gruppenrechten. Die Würde ist gewissermaßen der Kontrapunkt zum Gemeinwohl.

Inwiefern unterscheidet sich also die Güterabwägung von der politischen Kompromißbildung? Bei Kompromissen geht es um den Ausgleich von Gruppeninteressen. Bei der Güterabwägung geht es um den Ausgleich von Rechtsgütern.

Es gibt aber auch Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden politischen Praktiken: am ähnlichsten sind sie sich, wo Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und die freie Persönlichkeitsentfaltung gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Meinungsfreiheit (aggressive Meinungsführer, Internetblasen, Presse etc.) kann die für die freie Persönlichkeitsentfaltung unverzichtbare Privatsphäe eines Menschen und damit seine Integrität bedrohen. Umgekehrt kann wie bei dem vorgeblichen Recht auf Komfortabilität ein Primat der Privatsphäre die Meinungsfreiheit bedrohen. An dieser Stelle muß ein echter Kompromiß gefunden werden, der beides ermöglicht: Meinungsfreiheit und freie Prsönlichkeitsentfaltung. Beide müssen sich gegenseitig einschränken lassen, weil sie Grundrechte gleichen Ranges sind.

Anders ist das schon, was das Verhältnis von Individualrechten und Gruppenrechten betrifft. Ich habe schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß die Religionsfreiheit keineswegs dafür in Anspruch genommen werden darf, Individualrechte wie die Meinungsfreiheit und die freie Persönlichkeitsentfaltung einzuschränken. Dafür steht die Unantastbarkeit der menschlichen Würde. Es ist nicht gegen die Würde des Menschen, wenn sich Individualrechte gegenseitig beschränken. Aber es ist definitiv gegen die Würde des Menschen, wenn Individualrechte zugunsten religiöser Praktiken eingeschränkt werden.

Ich gebe zu, daß das ein streitbarer Punkt ist.

Aber wenn gläubige Menschen meinen, sie könnten als Gemeinschaft Privilegien in Anspruch nehmen, die für nicht gläubige Menschen so nicht gelten, dann haben sie das Recht verloren, im Namen der Religionsfreiheit staatlichen Schutz einzufordern.

Die Würde des Menschen ist nicht verhandelbar und liegt jenseits dessen, was politische Kompromißbildung darf.

Das Eigentum

Was bedeutet das für das RWE und sein Eigentum? Nun handelt es sich beim RWE nicht um eine Gruppe, die Rechte für sich in Anspruch nimmt, die den Individuen nicht zugebilligt werden, sondern um eine juristische Person. Wenn es ganz schimm käme, würde man solchen juristischen Personen, den Konzernen, Individualrechte zusprechen, z.B. das Wahlrecht. So weit ist es glücklicherweise noch nicht gekommen. Ich gehe jedenfalls davon aus, daß wir es bei einer juristischen Person so wenig wie etwa bei einer Religionsgemeinschaft mit einem Individuum zu tun haben.
 
Nun nimmt RWE Eigenümerrechte für sich in Anspruch. Wie ist sie in ihren Besitz gekommen? Die Eigentümerrechte, die RWE in Anspruch nimmt, sind, so weit ich das sehen kann, ursprünglich durch Berufung auf ein Gemeinwohlinteresse (Enteignung) zustande gekommen, und da klaffen heute, unter den Bedingungen des Klimawandels, die damaligen politischen Entscheidungen mit ihren Kompromißbildungsprozeduren und eine den heutigen Umständen entsprechende aktuelle Güterabwägung in krasser Weise auseinander.

Nichts spricht dafür, daß die Eigentumsrechte von RWE höherrangig sind, als die von in Dorfgemeinschaften beheimateten Individuen. Auch für RWE gilt, daß Eigentum verpflichtet. (Art. 14 GG) RWE hat als Eigentümer keine besonderen Privilegien, die Dorfgemeinschaften und Individuen nicht hätten. Wenn also ein Gut wie die Freiheit künftiger Generationen, ihr Leben zu führen, durch die klimatischen Folgen des Braunkohletagebaus bedroht ist, spricht nichts dagegen, daß wir heute frühere Güterabwägungen revidieren und RWE genauso seiner Eigentumsrechte enteignen, wie zuvor Dorfgemeinschaften und Individuen ihrer Eigentumsrechte enteignet worden waren.

Die Freiheit künftiger Generationen, ihr Leben zu führen, ist ein Kernbestandteil ihrer Würde, deren Unantastbarkeit wir für uns selbst beanspruchen, und deshalb ist das heutige Gemeinwohl ein anderes als dasjenige, das über Generationen hinweg den Braunkohletagebau legitimiert hatte. Auch die Würde des Menschen ist heute anders gefährdet als früher. Wer die Zukunft in unser heutiges Handeln nicht einbezieht, ist verantwortungslos. In diesem Sinne hat auch das Verfassungsgericht den Geltungsbereich des Grundgesetzes ausgedehnt.

* * *

Natürlich handelt es sich auch hier um völlig unverbindliche Überlegungen eines juristischen und verfassungsrechtlichen Laien.

Samstag, 14. Januar 2023

RWE und das Gemeinwohl

Was die aktuellen Auseinandersetzungen betrifft, wird immer wieder darauf hingewiesen, daß die Eigentumsverhältnisse geklärt seien, RWE sei Eigentümer von Lützerath, und Deutschland sei ein Rechtsstaat etc. Man hört nichts darüber, aufgrund welcher politischen Entscheidungen RWE in den Genuß seiner Eigentumsrechte gekommen ist. So viel ich weiß – und ich bin kein Jurist –, spielen dabei Enteignungen eine zentrale Rolle. Ich kann mir da nur als Laie ein paar Gedanken machen.

Bei Enteignungen muß es ein Gemeinwohlinteresse geben, das sie rechtfertigt. Wer entscheidet über das Gemeinwohl? Die Politik. Und natürlich auch die Richter, wenn die Einwohner gegen die Enteignung klagen. Deutschland ist ja ein Rechtsstaat.

Ich ziehe das nicht in Zweifel. Aber ich finde es fragwürdig, daß Gemeinwohlinteressen stets gegen ‚private‘ Interessen, wie z.B. von Hausbesitzern und Anwohnern, gerichtet zu sein scheinen. Irgendwie scheinen diese nie Teil des Gemeinwohls zu sein.

Im Falle von Windkraftanlagen scheint sich inzwischen ein politischer Konsens dahingehend herauszubilden, daß Anwohner an den Anlagen beteiligt werden sollen, also nicht einfach gegen sie durchgesetzt werden dürfen. Sie sollen einen direkten, persönlichen Nutzen von ihnen haben. Ihre Interessen werden also nicht einfach dem Gemeinwohl geopfert.

Es ist offensichtlich, daß eine solche Beteiligung beim Braunkohletagebau nicht funktioniert. Denn wo eine Braunkohlegrube ist, gibt es keine Anwohner mehr.

Eine Braunkohlegrube geht anscheinend immer auf Kosten von ‚privaten‘ Interessen.

Hinzu kommt, daß das ‚Gemeinwohl‘ des Braunkohletagebaus höchst zweifelhaft ist. Daß es dabei nicht nur um seinen Beitrag zur Energiesicherheit gehen kann, der zudem nur sehr gering ist, ist offensichtlich. Eine notwendige Güterabwägung zwischen einer kurzfristigen Energieknappheit und künftigen Klimafolgen hat jedenfalls niemals ernsthaft stattgefunden. Aktuelle Notwendigkeiten und künftige Katastrophen stehen in keinem ausgewogenen Verhältnis. An die Stelle sachlich begründeter Abwägungen treten politisch motivierte Kompromisse, und wer diese in Frage stellt, wird der Ideologie und Demokratiefeindlichkeit bezichtigt.

Bleiben also letztlich nur noch die Eigentümerinteressen von RWE, denen sich der vielberufene Rechtsstaat verpflichtet sieht. Aber auch Richter halten sich nur ans geltende Recht. Wie legitim die damit verbundenen Ansprüche sind, können sie nicht beurteilen.

Denn man fragt sich schon: wie kam RWE in den Genuß dieses Eigentums? Wie legitim sind die Ansprüche auf die rechtsstaatliche Loyalität von Bürgern, deren Interessen ganz offensichtlich bei der Durchsetzung eines weiteren achtjährigen Raubbaus an den Ressourcen Boden, Luft und Klima keine Rolle spielen?

Denn daß 2030 Schluß sein soll, ist nur ein gutes Ergebnis, weil es anders noch länger gedauert hätte.

Das ist zu wenig. Wenn es ein Gemeinwohl gibt, dann liegt es nicht beim RWE. So gesehen sind rückblickend die Enteignungen, die zu den aktuellen Eigentumsverhältnissen beigetragen haben, nicht gerechtfertigt. Der stets gern vorgebrachte Hinweis auf den Rechtsstatt erscheint mir deshalb als unangebracht.

Noch einmal: ich bin ein Laie, was Rechtsdinge betrifft. Und ich glaube an den Rechtsstaat. Aber ich bin nicht naiv.

Freitag, 13. Januar 2023

Lausitz – Lützerath

In „Ein weites Feld“ (1995) führt der Stasiagent Hoftaller sein Lieblingsopfer ‚Fonty‘ nach Altdöbern (Lausitz) und zeigt ihm die riesenhafte Braunkohlegrube: „Ja, gucken Sie nur, Wuttke! Man sieht, wenn man genau hinguckt, nicht nur schwarzes Gold, ne Menge Zukunft sieht man. Man starrt in das Loch und ahnt, was sein wird, na, was kommt. Das, nur das bleibt von uns. Vom Produkt befreit, ganz und gar ausgemergelt und feingesiebt, ausgebeutet werden wir menschlicher Abraum sein, kleine und größere Kegel, die sich ein bißchen spiegeln dürfen, da, sehen Sie Wuttke, im Grundwasser, das kein Lüftchen kräuselt ganz unten, auch wenn es hier oben bläst. Und das bis zum Horizont: säuberlich aufgeschüttet, in Reihe gebracht. Sortierter Rest und Abraum der Geschichte. Ach, Wuttke, was hat man aus uns gemacht?“ (Grass 1995, S.512f.)

Fonty wendet sich ab. Er ist diesem Anblick, der Braunkohlegrube, nicht gewachsen: „War nie auf Misere abonniert. Konnte soviel seelenlose Häßlichkeit keine Minute länger ansehen. Nicht nur von Gott – das ginge ja noch –, von aller Schönheit verlassen, atmete mich die Leere an …“ (Grass 1995, S.514)

Man kann Habeck und Neubaur kaum einen Vorwurf machen. Sie agieren in einem Umfeld, in dem das Eigentum zu nichts verpflichtet. Im Gegenteil: es berechtigt den Eigentümer, völlig willkürlich damit umzugehen oder eben, wie RWE, einfach nur seinen Profit zu machen. Gleichgültig gegenüber dem, was ihm gehört; gleichgültig gegenüber denen, die fassungslos darauf hinschauen und ihre Zukunft sehen.

Donnerstag, 12. Januar 2023

Abschaffung eines Gruppenrechts

Die Religionsfreiheit geht immer auf Kosten der Meinungsfreiheit und des Rechts auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Deshalb gehört sie abgeschafft.

Es darf keine Güterabwägung geben zwischen den genannten beiden Individualrechten und der Freiheit, seine Religion zu leben. Wenn sich eine Religion nicht mit ihnen verträgt, hat sie keinen Anspruch auf staatlichen Schutz.

Samstag, 7. Januar 2023

Ich=Du-Universalismus

Solidarität und Gesellschaft müssen neu gedacht werden. Sie müssen vom Individuum her gedacht werden. Das individuelle Gewissen ist die Quelle der Moral. Individuelle Beziehungen sind die Lebensadern der Gesellschaft; social media ist ihr Tod.

Deshalb ist das Individuum in Beziehung, für die die Formel Ich=Du gilt, die Quelle der Solidarität. Die Anerkennung des Du richtet sich nicht auf die Gruppe, für die die Formel Wir≠Ihr gilt, sondern auf den anderen Menschen, dem wir begegnen. Diese Begegnung bildet eine auf Zweiheit basierende Sozialform und schließt gerade deshalb niemand aus; denn die Begegnung geschieht jenseits der Gruppe.

Das heißt nicht, daß uns das Du, der andere Mensch, der ist wie Ich, nicht auch innerhalb der Gruppe begegnen kann. Aber er kann uns innerhalb der Gruppe nur jenseits der Gruppe begegnen, also jenseits des Wir≠Ihr.

Die Solidarität, die sich aus der Begegnung speist, transzendiert die Gruppe, was wiederum bedeutet, daß sie die Gruppe humanisiert. So entsteht auch die Idee der Menschheit nicht aus einer Ausdehnung der Gruppe auf alle Menschen, weil das die Formel Wir≠Ihr nicht aufhebt, sondern aus der Begegnung, die auf Ich=Du basiert. Es kann nämlich durchaus dazu kommen, daß, auch wenn es außerhalb der universellen Gruppe keine anderen Gruppen-Wirs mehr gibt, im Dienste des Gruppen-Wir innerhalb der universellen Gruppe exkludiert wird. Oder es werden die Tiere exkludiert, weil sie keine Menschen sind. So bleibt es beim Wir≠Ihr.

Ich=Du ist der wahre Universalismus.

Freitag, 6. Januar 2023

Blasendenker

Bei aller Distanz zu den Querdenkern – am schlimmsten finde ich nicht deren abstruse Meinungen, denn diese sind subjektiv und frei, sondern die Beanspruchung des Wortes ‚Querdenker‘ – habe ich den Eindruck, daß neben den vielen berechtigten Motiven, die von ihnen praktizierte Querdenkerei zu verurteilen, auch ein gewisses Ressentiment der Zivilgesellschaft, jedenfalls derjenigen, die sich mit ihr identifizieren, eine Rolle spielt. Sich nicht mit den Tendenzen einer sich möglicherweise in die falsche Richtung entwickelnden Gesellschaft einverstanden zu erklären – wie begründet oder unbegründet die Ablehnung auch immer daherkommt –, stört das Wohlbefinden in dieser Gesellschaft und weckt und vergrößert die Ängste, die mit den gesellschaftlichen Entwicklungen einhergehen. Es ist allemal gleichermaßen befriedigender wie beruhigender, das, was sowieso geschieht, nachzuvollziehen.

Die ‚Querdenker‘, die also, die sich so nennen und von einer Zivilgesellschaft, die mit wirklichem Querdenken nichts anzufangen weiß, als solche anerkannt und abgelehnt werden, sind nichts anderes als Blasendenker; also social-media-Agenten.

Sonntag, 1. Januar 2023

Was fest steht

Und wieder kommt ein neues Jahr,
das nicht so wird wie das, was war,
doch auch mit seiner kurzen Frist
bald wieder überwunden ist.

Die lineare Zeit will es,
daß niemand je entgeht dem Streß,
so daß, was sich nicht ändern läßt,
der Wandel ist; und das steht fest!

Doch fest steht auch, ob jung, ob alt,
das Ende kommt stets allzu bald.
Kein Zyklus formt sich mehr zum Kreis,
der endend sich im Anfang weiß.