„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Freitag, 13. Januar 2023

Lausitz – Lützerath

In „Ein weites Feld“ (1995) führt der Stasiagent Hoftaller sein Lieblingsopfer ‚Fonty‘ nach Altdöbern (Lausitz) und zeigt ihm die riesenhafte Braunkohlegrube: „Ja, gucken Sie nur, Wuttke! Man sieht, wenn man genau hinguckt, nicht nur schwarzes Gold, ne Menge Zukunft sieht man. Man starrt in das Loch und ahnt, was sein wird, na, was kommt. Das, nur das bleibt von uns. Vom Produkt befreit, ganz und gar ausgemergelt und feingesiebt, ausgebeutet werden wir menschlicher Abraum sein, kleine und größere Kegel, die sich ein bißchen spiegeln dürfen, da, sehen Sie Wuttke, im Grundwasser, das kein Lüftchen kräuselt ganz unten, auch wenn es hier oben bläst. Und das bis zum Horizont: säuberlich aufgeschüttet, in Reihe gebracht. Sortierter Rest und Abraum der Geschichte. Ach, Wuttke, was hat man aus uns gemacht?“ (Grass 1995, S.512f.)

Fonty wendet sich ab. Er ist diesem Anblick, der Braunkohlegrube, nicht gewachsen: „War nie auf Misere abonniert. Konnte soviel seelenlose Häßlichkeit keine Minute länger ansehen. Nicht nur von Gott – das ginge ja noch –, von aller Schönheit verlassen, atmete mich die Leere an …“ (Grass 1995, S.514)

Man kann Habeck und Neubaur kaum einen Vorwurf machen. Sie agieren in einem Umfeld, in dem das Eigentum zu nichts verpflichtet. Im Gegenteil: es berechtigt den Eigentümer, völlig willkürlich damit umzugehen oder eben, wie RWE, einfach nur seinen Profit zu machen. Gleichgültig gegenüber dem, was ihm gehört; gleichgültig gegenüber denen, die fassungslos darauf hinschauen und ihre Zukunft sehen.

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