„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Montag, 31. Juli 2023

Ich = Du ...

... ist die Menschheit.
Nicht er/sie/es,
nicht Wir,
nicht Ihr,
nicht sie,
sondern Ich = Du.

er/sie/es ist kein Ich,
weil ich es sage, statt Du zu sagen.

Wer Ich sagt und Wir meint,
kann mich nicht meinen, wenn er du sagt,
weil Wir nicht Ich ist
und ich Wir nicht bin.

Zu uns sage ich nicht Du,
weil Wir nicht Ich ist.

Zu euch sage ich nicht Du,
weil Ihr Ihr zu mir sagt
und ich Ihr nicht bin.

Zu ihnen sage ich nicht Du,
Weil sie Wir sagen
und ich Ihr zu ihnen.

Nur zu Ich sage ich Du,
weil ich Du bin für den,
der Ich ist und Du zu mir sagt.

Mittwoch, 12. Juli 2023

Verfassungsbeschwerde zum Straßenverkehr

Bundesverfassungsgericht
Postfach 1771
76006 Karlsruhe

12.07.2023

Verfassungsbeschwerde ‒ Gegenstand: grundrechtsrelevante Güterabwägung im innerörtlichen Straßenverkehr

Sehr geehrte Damen und Herren,

1. Gegenstand meiner Beschwerde ist die grundrechtsrelevante Güterabwägung im innerörtlichen Straßenverkehr.

2. Anlaß meiner Beschwerde sind die Äußerungen des Bundesverkehrsministers bei der Präsentation der neuen StVG im Juni, in denen er das innerörtliche Tempolimit von 50 km/h mit nicht weiter spezifizierten ,Freiheitsrechten‛ von Autofahrerinnen und Autofahrern begründete. Aus diesem Grund verweigert er den Kommunen, die das anders sehen, das Recht, flächendeckend Tempo 30 einzuführen.

3. Meine persönliche Betroffenheit: Ich bin Fußgänger und Radfahrer. Ich sehe mich durch die von der StVO festgelegte innerörtliche Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in meinen Freiheitsrechten, wie sie in Artikel 2 (persönliche Entfaltung, körperliche Unversehrtheit) und 11 (Freizügigkeit) ausgeführt werden, beeinträchtigt.

4. Grundgesetzliche Relevanz des Straßenverkehrs: Es fehlen in den relevanten Gesetzen und Verordnungen (GG, StVG und StVO) detailliertere Ausführungen zur grundgesetzlichen Relevanz des Straßenverkehrs (Freiheitsrechte), die die Möglichkeit willkürlicher Gleichsetzung von Automobilität (Kraftfahrzeuge aller Art) mit Freiheitsrechten und deren Privilegierung gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern einschränken.

4.1 Innerörtliche Höchstgeschwindigkeit und Langsamfahren

4.1.1 In der StVO in Paragraph 3, Absatz 2, wird „langsam fahren“ „ohne triftigen Grund“ als Verkehrsbehinderung bewertet: „Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.“ ‒ Es wird nicht weiter spezifiziert, was „langsam fahren“ bedeutet, kann aber angesichts der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nur bedeuten: langsamer als 50 km/h. Damit wird Autofahrerinnen und Autofahrern, die aus eigener Initiative entscheiden, daß Ihnen die körperliche Unversehrtheit ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger wichtiger ist als die eigenen Freiheitsrechte, die Möglichkeit verwehrt, freiwillig innerorts durchgehend Tempo 30 einzuhalten.

4.1.2 In StVO §3, Absatz 2a, heißt es ergänzend: „Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.“ ‒ Hier werden die Verkehrsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer angesprochen. Sie werden mit den Rechten von Autofahrerinnen und Autofahrern so abgewogen, daß letztere dazu verpflichtet werden, im Bedarfsfall ihr Recht auf Tempo 50 zu suspendieren und ihre Geschwindigkeit den Umständen (den Interessen anderer Verkehrsteilnehmer) anzupassen.

4.1.2.1 Die vom Gesetzgeber aufgeführten Gründe für eine Geschwindigkeitsreduzierung sind innerorts der Normalfall. In geschlossenen Ortschaften leben Menschen, und wo Menschen leben, sind Straßen. Die in Absatz 2a aufgeführten, nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer sind überall. Kinder springen auf dem Weg zur Schule oder beim Spielen zwischen parkenden Autos hervor und werden vom Autofahrer erst in dem Moment gesehen, wo sie vor die Kühlerhaube laufen. Wegen der Enge der Straßen werden Radfahrer überholt, ohne den Sicherheitsabstand einzuhalten. Alte Leute, die sich nur langsam vorwärtsbewegen können, werden von zu kurzen Grünphasen beim Überqueren der Straße von Rot überrascht. Es gibt keine innerörtliche Verkehrssituation, bei der der äußere Anschein, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden 50 km/h fahren zu dürfen, ausreicht. Das überfordert schlichtweg die Aufmerksamkeitsfähigkeit jedes Autofahrers.

4.1.2.2 Auch die Einrichtung von speziellen Tempo-30-Zonen, beispielsweise im Bereich von Schulen und Kindergärten, berücksichtigt nicht, daß der Schulweg nicht wenige hundert Meter vor einer Schule beginnt, sondern dort, wo das Kind seine Wohnung verläßt und die Straße betritt.

4.2 Innerörtlicher Straßenverkehr

4.2.1 Es fehlt in allen relevanten Gesetzestexten und Verordnungen (GG, StVG und StVO) eine Definition des Straßenverkehrs. Es wird überall vorausgesetzt, daß alle Betroffenen wissen, was Straßenverkehr ist. Das führt im Endeffekt zu einer durchgehenden Privilegierung des motorisierten Straßenverkehrs: Straßenverkehr = Kraftfahrzeugverkehr.

4.2.2 Auch für den innerörtlichen Straßenverkehr gilt der Vorrang des Durchgangsverkehrs, was sich in der Weigerung des Gesetzgebers ausdrückt, den Kommunen das Recht zu gewähren, innerorts Tempo 30 einzuführen.

4.2.3 Eine grundrechtsrelevante Güterabwägung bedarf der Differenzierung zwischen einem Straßenverkehr im offenen Land und in geschlossenen Ortschaften, die mehr umfaßt als Tempo 100 und Tempo 50. Bei dieser Differenzierung müssen die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer als gleichrangig anerkannt werden.

5. Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts: Es ist Teil des Gegenstands dieser Verfassungsbeschwerde, daß es weniger ein besonderer Paragraph ist, gegen den sich die Beschwerde richtet. Es geht um eine grundrechtliche Würdigung des innerörtlichen Straßenverkehrs. Das Bundesverfassungsgericht muß das politische Desiderat einer fehlenden Güterabwägung zwischen den Freiheitsrechten (Artikel 2 und 11) der verschiedenen Verkehrsteilnehmer feststellen und entweder selbst einen Vorschlag zur Behebung dieses Desiderats machen oder die Politik und damit den Gesetzgeber damit beauftragen.

Mit freundlichen Grüßen,
Detlef Zöllner


PS (29.07.2024): Meine Verfassungsbeschwerde ist, wie zu erwarten, nicht über das Vorzimmer hinausgekommen. Sie wurde abgewiesen. Ich hätte keinen „angreifbaren Hoheitsakt“ bezeichnet oder vorgelegt, heißt es in dem Schreiben, das ich gestern erhielt. Es fehle die „exakte Bezeichnung der einzelnen mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bestimmungen“. Außerdem lasse sich meinem „Vorbringen“ nicht entnehmen, inwiefern ich „durch den angegebenen Gegenstand Ihrer Verfassungsbeschwerde unmittelbar () in eigenen verfassungsmäßig garantierten Rechten verletzt“ sei. Zuguterletzt wird noch darauf hingewiesen, daß das „Gesetz über das Bundesverfassungsgericht () eine sogenannte Popularklage nicht vor(sieht)“.

Ich habe Widerspruch gegen diesen Bescheid eingelegt und auf meine persönliche Betroffenheit als Verkehrsteilnehmer hingewiesen, mit Verweis auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit. Ich habe auf das neue StVG („Hoheitsakt“) verwiesen und auf die Artikel 2 und 3 in der StVO, die die Höchstgeschwindigkeit innerorts auf 50 km/h festlegen und langsameres Fahren untersagen. Daß sich daraus ein Popularinteresse ergibt, mit anderen Worten: daß von dieser StVO alle Verkehrsteilnehmer zu Fuß oder auf dem Rad benachteiligt werden, mindert nicht mein persönliches Interesse an meiner eigenen körperlichen Unversehrtheit.