„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Sonntag, 22. Januar 2023

Lanz bei 3 nach 9

In der aktuellen Talkshow „3 nach 9“ hat Markus Lanz frontal Dietrich Grönemeyer und damit indirekt auch Leah Weigand (Pflegerin, Medizinstudentin und poetry-slammerin) angegriffen. Markus Lanz, dessen Talkshow und Podcast ich bislang regelmäßig sah und hörte, verfolgt seit kurzem das Projekt, alles ins Positive umzubiegen, weil ihm der verbreitete Pessimismus und Katastrophismus gegen den Strich geht.

Er unterstellte Grönemeyer, er habe die Arbeit der Ärzteschaft schlechtgeredet. Was er definitiv nicht getan hat! Grönemeyer hatte vom „System“ Krankenhaus gesprochen. Als er protestierte, ließ Lanz ihn wie einen dummen Jungen dastehen und entgegnete: „Doch, doch, haben Sie!“ – Lanz hatte wohl vergessen, daß er nicht in seiner eigenen Talkshow saß, und attakierte Grönemeyer, als wäre er der Moderator und nicht Giovanni di Lorenzo.

Lanz sprach von seinen immer guten Erfahrungen mit Ärzten und Pflegepersonal in Krankenhäusern und maßte sich damit an, die Innenperspektive von Leah Weigand, die als ehemalige Pflegerin ihre eigenen Erfahrungen gemacht hatte, zu korrigieren. Als wenn sich seine und ihre und Grönemeyers Erfahrungen widersprechen müßten! Und als wenn seine eigenen Erfahrungen den Erfahrungen anderer Patienten, die möglicherweise keine so guten Erfahrungen aufweisen können, überlegen wären! – Er setzt einfach seine Erfahrungen als allgemein voraus, und alle anderen reden Unsinn und machen nur alles schlecht. Dabei geht es uns allen doch so gut.

Grönemeyer hat kein einziges Mal die Arbeit von Ärzten und Pflegern diskreditiert. Lanz hat Herrn Grönemeyer bitter Unrecht getan. Ihm ging es nicht um die Sache, sondern darum, eine schöne heile Welt zu behaupten, womit er indirekt auch Weigand düpierte, der er später nochmal zu ihrem Gedicht gratulierte, als hätte es mit Grönemeyers Anliegen nichts zu tun. Nicht zum erstenmal hatte ich das Gefühl, daß Lanz nichts begriffen hatte.

Giovanni di Lorenzo unterstützte Lanz dadurch, daß er im Anschluß meinte betonen zu müssen, daß die Belegschaften in den Krankenhäusern alle gute Arbeit leisten. Als wenn das nicht genug klar gemacht worden wäre. Als wenn Grönemeyer irgendwo etwas anderes zum Ausdruck gebracht hätte. Das gemeinsame Thema von Grönemeyer und Weigand ist das reformbedürftige System Krankenhaus gewesen, nicht die mangelhafte Arbeit der Belegschaften. Aber Lorenzos ‚Klarstellung‘ ließ, um so mehr als er nichts zum Schutz Grönemeyers unternommen hatte, im Anschluß von Lanzens Attacke diese beiden Gäste in einem zweifelhaften Licht dastehen. Nur Helge Schneider fand ein paar klärende Worte, die aber bei Lanz nicht ankamen.

Ich habe immer gerne Lanzens eigene Talkshow und den gemeinsamen Podcast mit Precht gesehen und gehört. Aber so wie er mittlerweile seinen persönlichen Kreuzzug gegen das Negative führt, hat er mich verloren. Sachlichkeit sieht anders aus.

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