Der Wille zur Wahrheit (1976/83; SuW 1)
Der Gebrauch der Lüste (1984/86; SuW 2)
Die Sorge um sich (1984/86; SuW 3)
Die Geständnisse des Fleisches (2018/19; SuW 4)
Der Gebrauch der Lüste (1984/86; SuW 2)
Die Sorge um sich (1984/86; SuW 3)
Die Geständnisse des Fleisches (2018/19; SuW 4)
3. griechische Antike
‒ Diätetik (Kunst der Lebensführung)
‒ Männermoral
‒ Knabenliebe
‒ Männermoral
‒ Knabenliebe
In meinem Blog bin ich schon seit längerem, in den letzten Jahren allerdings häufiger, auf die Notwendigkeit und auf das Bedürfnis eingegangen, mein Leben zu führen, und zwar meist mit Verweis auf die rasant fortschreitende Digitalisierung aller Lebensverhältnisse, die uns genau darin, in der Lebensführung, zunehmend behindert. Das griechische Wort für Lebensführung ist ‚Diät‛, die nicht nur für die Ernährung zuständig ist, sondern nach antik-griechischem Verständnis auch für alle anderen Lebensbereiche, und die neben der Ernährungsweise auch die Sexualität betrifft.
Die heutigen Lebensbereiche, die dringend einer Diät bedürfen, was in der populistisch geprägten deutschen Politik abschätzig mit der unschönen Vokabel ‚Verzicht‛ versehen wird, sind beispielsweise neben der Ernährungsweise die Alltags- und Urlaubsmobilität, das Einkaufsverhalten und natürlich die schon angesprochene umfassende Digitalisierung mitsamt dem wuchernden Krebs, genannt Smartphone. Das ist nur eine kleine Auswahl, denn um unser Leben wieder führen zu können, bedarf es einer umfassenden Kehrtwende unserer gesamten Lebensverhältnisse.
Eigentlich ist es ja doch verwunderlich, daß Praktiken des Fastens und der Diät rund um den Bereich ,gesunde Ernährung‛, die nichts anderes sind als Formen der Askese, sich doch einer so allgemeinen Beliebtheit erfreuen, daß es in allen analogen und digitalen Medien eine Unzahl von entsprechenden Ratgeberformaten gibt. Die Bewirtschaftung dieses Themenbereichs scheint sich zu lohnen.
Wenn man die Diät als eine konkrete, spezifische Verhaltensweisen betreffende Praktik bezeichnen kann, so bezieht sich die Diätetik auf das individuelle Leben als Ganzes, also unsere Lebensführung als der Mensch, der wir sind. Die Diätetik ist, wie Foucault definiert, die „allgemeine Ordnung des seelischen und körperlichen Daseins“ (vgl. „Hermeneutik des Subjekts“ (2004, S.87) und steht damit dem Begriff der Ethik nahe. Fügt man dem noch hinzu, daß die Diätetik auch mit „Sorge um sich selbst“ übersetzt werden könnte und diese Sorge um sich selbst „Selbsterkenntnis zu sein (hat)“ (vgl. Foucault 2004, S.95), dann entspricht die Diätetik meinem Blogtitel: Erkenntnisethik.
In den letzten Jahren habe ich, so wie Foucault die Sorge um sich selbst, den Gefühlshaushalt mit dem Begriff der Selbsterkenntnis verbunden. Dabei bin ich insbesondere von der Sexualität ausgegangen, weil die damit verbundenen Befindlichkeiten und Begierden für mich schon immer mein zentrales Lebensthema gewesen sind. Ich versuchte mit diesen Befindlichkeiten und Begierden einen Umgang zu finden, der die anderen Motive nicht einfach nur platt an die Wand drückt, sondern ihnen einen eigenen Bewegungsspielraum ermöglicht.
Zurück zur griechischen Antike um das fünfte, vierte und dritte Jahrhundert herum. Die Griechen zählten die Geschlechtslust zu den „drei großen grundlegenden Strebungen, die die Nahrung, das Trinken und die Zeugung betreffen“ (vgl. SuW 2, S.67), räumten ihr aber in der „Hierarchie“ der sinnlichen Vergnügen nur einen niedrigen Rang ein. Ähnlich wie in meinem Gefühlshaushalt gab es bei den Griechen also eine Rangordnung von Neigungen und Trieben, die einerseits zwar individuell gestaltet war, weshalb es auch einer individuellen Selbstprüfung und Selbsterkenntnis bedurfte, denen, also den Bedürfnissen, aber letztlich eine vorgängige Natur zugrundelag. Wir haben es mit einer ontologisch begründeten Hierarchie zu tun. Ähnlich wie in meinem Gefühlshaushalt bestand bei den Griechen die Aufgabe des Mannes ‒ Frauen waren nur Lustobjekte (vgl. SuW 2, S.62) ‒ darin, die Geschlechtslust „zu meistern“ und gleichzeitig „in einer angemessenen Ökonomie gewähren (zu) lassen“. (Vgl. SuW 2, S.68)
Ein weiterer Aspekt, in dem sich die griechische Vorstellung von einem „Gleichgewicht in der Dynamik des Vergnügens und des Begehrens“ (vgl. SuW 2, S. 75) mit meinem Gefühlshaushalt deckt, ist, daß das Prinzip, das den Gebrauch der Lüste reguliert, im „Bedürfnis“ selbst bestand (vgl. SuW 2, S.74). Dieses Bedürfnis hat seine eigene Dynamik, an der sich seine Befriedigung bemißt und begrenzt. Wo wir über die primäre Befriedigung hinaus nach Lustbefriedigung streben, geht uns mit dem Bedürfnis auch die Lust verloren und an deren Stelle tritt die Begierde. (Vgl. SuW 2, S.75f.) Die Griechen nannten das ,Unmäßigkeit‛. Unmäßigkeit bedeutet, daß die angemessene Diät nicht eingehalten wird. Das Bedürfnis setzt ein Maß, nämlich daß es mit seiner Befriedigung endet. Wer mehr will als bloße Befriedigung, ist unmäßig.
Mit Rousseau läßt sich ergänzen, daß nicht nur das Unmaß der Überbefriedigung natürlicher Bedürfnisse zu einer problematischen Lebensführung beiträgt, sondern auch das Erlernen neuer Bedürfnisse durch Nachahmung, deren Befriedigung uns von äußeren Umständen abhängig macht. Bei diesen äußeren Umständen, so schon Rousseau, ist vor allem an eine kapitalistische Wirtschaftsform mit ihrem Konkurrenzprinzip zu denken.
Auch meinen Gedanken, daß wir unseren Bedürfnissen und Begehrungen eine individuelle Gestalt geben können und müssen, finde ich in Foucaults Darlegungen zur griechischen Moral wieder: „In dieser Moral konstituiert sich also das Individuum nicht dadurch als ethisches Subjekt, daß es die Regel seiner Handlung verallgemeinert; sondern im Gegenteil durch eine Haltung und eine Suche, die seine Handlung individualisieren und modularisieren und ihr sogar einen einzigartigen Glanz geben können, indem sie ihr eine rationale und reflektierte Struktur verleihen.“ (SuW 2, S.82f.)
Die Diätetik, also der Gefühlshaushalt, entspricht einer individuellen Rangordnung von Bedürfnissen mit den je besonderen Gelegenheiten, die uns ihre Befriedigung ermöglichen. Und unter diesen Bedürfnissen ist die Sexualität letztlich doch nur eine unter vielen.
Die heutigen Lebensbereiche, die dringend einer Diät bedürfen, was in der populistisch geprägten deutschen Politik abschätzig mit der unschönen Vokabel ‚Verzicht‛ versehen wird, sind beispielsweise neben der Ernährungsweise die Alltags- und Urlaubsmobilität, das Einkaufsverhalten und natürlich die schon angesprochene umfassende Digitalisierung mitsamt dem wuchernden Krebs, genannt Smartphone. Das ist nur eine kleine Auswahl, denn um unser Leben wieder führen zu können, bedarf es einer umfassenden Kehrtwende unserer gesamten Lebensverhältnisse.
Eigentlich ist es ja doch verwunderlich, daß Praktiken des Fastens und der Diät rund um den Bereich ,gesunde Ernährung‛, die nichts anderes sind als Formen der Askese, sich doch einer so allgemeinen Beliebtheit erfreuen, daß es in allen analogen und digitalen Medien eine Unzahl von entsprechenden Ratgeberformaten gibt. Die Bewirtschaftung dieses Themenbereichs scheint sich zu lohnen.
Wenn man die Diät als eine konkrete, spezifische Verhaltensweisen betreffende Praktik bezeichnen kann, so bezieht sich die Diätetik auf das individuelle Leben als Ganzes, also unsere Lebensführung als der Mensch, der wir sind. Die Diätetik ist, wie Foucault definiert, die „allgemeine Ordnung des seelischen und körperlichen Daseins“ (vgl. „Hermeneutik des Subjekts“ (2004, S.87) und steht damit dem Begriff der Ethik nahe. Fügt man dem noch hinzu, daß die Diätetik auch mit „Sorge um sich selbst“ übersetzt werden könnte und diese Sorge um sich selbst „Selbsterkenntnis zu sein (hat)“ (vgl. Foucault 2004, S.95), dann entspricht die Diätetik meinem Blogtitel: Erkenntnisethik.
In den letzten Jahren habe ich, so wie Foucault die Sorge um sich selbst, den Gefühlshaushalt mit dem Begriff der Selbsterkenntnis verbunden. Dabei bin ich insbesondere von der Sexualität ausgegangen, weil die damit verbundenen Befindlichkeiten und Begierden für mich schon immer mein zentrales Lebensthema gewesen sind. Ich versuchte mit diesen Befindlichkeiten und Begierden einen Umgang zu finden, der die anderen Motive nicht einfach nur platt an die Wand drückt, sondern ihnen einen eigenen Bewegungsspielraum ermöglicht.
Zurück zur griechischen Antike um das fünfte, vierte und dritte Jahrhundert herum. Die Griechen zählten die Geschlechtslust zu den „drei großen grundlegenden Strebungen, die die Nahrung, das Trinken und die Zeugung betreffen“ (vgl. SuW 2, S.67), räumten ihr aber in der „Hierarchie“ der sinnlichen Vergnügen nur einen niedrigen Rang ein. Ähnlich wie in meinem Gefühlshaushalt gab es bei den Griechen also eine Rangordnung von Neigungen und Trieben, die einerseits zwar individuell gestaltet war, weshalb es auch einer individuellen Selbstprüfung und Selbsterkenntnis bedurfte, denen, also den Bedürfnissen, aber letztlich eine vorgängige Natur zugrundelag. Wir haben es mit einer ontologisch begründeten Hierarchie zu tun. Ähnlich wie in meinem Gefühlshaushalt bestand bei den Griechen die Aufgabe des Mannes ‒ Frauen waren nur Lustobjekte (vgl. SuW 2, S.62) ‒ darin, die Geschlechtslust „zu meistern“ und gleichzeitig „in einer angemessenen Ökonomie gewähren (zu) lassen“. (Vgl. SuW 2, S.68)
Ein weiterer Aspekt, in dem sich die griechische Vorstellung von einem „Gleichgewicht in der Dynamik des Vergnügens und des Begehrens“ (vgl. SuW 2, S. 75) mit meinem Gefühlshaushalt deckt, ist, daß das Prinzip, das den Gebrauch der Lüste reguliert, im „Bedürfnis“ selbst bestand (vgl. SuW 2, S.74). Dieses Bedürfnis hat seine eigene Dynamik, an der sich seine Befriedigung bemißt und begrenzt. Wo wir über die primäre Befriedigung hinaus nach Lustbefriedigung streben, geht uns mit dem Bedürfnis auch die Lust verloren und an deren Stelle tritt die Begierde. (Vgl. SuW 2, S.75f.) Die Griechen nannten das ,Unmäßigkeit‛. Unmäßigkeit bedeutet, daß die angemessene Diät nicht eingehalten wird. Das Bedürfnis setzt ein Maß, nämlich daß es mit seiner Befriedigung endet. Wer mehr will als bloße Befriedigung, ist unmäßig.
Mit Rousseau läßt sich ergänzen, daß nicht nur das Unmaß der Überbefriedigung natürlicher Bedürfnisse zu einer problematischen Lebensführung beiträgt, sondern auch das Erlernen neuer Bedürfnisse durch Nachahmung, deren Befriedigung uns von äußeren Umständen abhängig macht. Bei diesen äußeren Umständen, so schon Rousseau, ist vor allem an eine kapitalistische Wirtschaftsform mit ihrem Konkurrenzprinzip zu denken.
Auch meinen Gedanken, daß wir unseren Bedürfnissen und Begehrungen eine individuelle Gestalt geben können und müssen, finde ich in Foucaults Darlegungen zur griechischen Moral wieder: „In dieser Moral konstituiert sich also das Individuum nicht dadurch als ethisches Subjekt, daß es die Regel seiner Handlung verallgemeinert; sondern im Gegenteil durch eine Haltung und eine Suche, die seine Handlung individualisieren und modularisieren und ihr sogar einen einzigartigen Glanz geben können, indem sie ihr eine rationale und reflektierte Struktur verleihen.“ (SuW 2, S.82f.)
Die Diätetik, also der Gefühlshaushalt, entspricht einer individuellen Rangordnung von Bedürfnissen mit den je besonderen Gelegenheiten, die uns ihre Befriedigung ermöglichen. Und unter diesen Bedürfnissen ist die Sexualität letztlich doch nur eine unter vielen.
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