Der Wille zur Wahrheit (1976/83; SuW 1)
Der Gebrauch der Lüste (1984/86; SuW 2)
Die Sorge um sich (1984/86; SuW 3)
Die Geständnisse des Fleisches (2018/19; SuW 4)
Der Gebrauch der Lüste (1984/86; SuW 2)
Die Sorge um sich (1984/86; SuW 3)
Die Geständnisse des Fleisches (2018/19; SuW 4)
5. frühes Christentum
‒ Diätetik
‒ Unwillkürlichkeit und Willkür
‒ Ehe und Zweiheit
‒ Erkenntnis
‒ Jungfräulichkeit
‒ Unwillkürlichkeit und Willkür
‒ Ehe und Zweiheit
‒ Erkenntnis
‒ Jungfräulichkeit
Mich irritiert, wieso Augustinus die Ursünde so unmittelbar auf die Sexualität bzw. auf die Wollust (Libido) zurückführen kann. Schließlich geht es in der Bibel nicht um den Baum der Sexualität, von dem Adam und Eva nicht essen dürfen, sondern um den Baum der Erkenntnis. Zwar geht es dabei wiederum nicht um irgendeine beliebige Erkenntnis aus dem Bereich der Naturwissenschaften, um es mal so zu formulieren, sondern um die „Erkenntnis von Gut und Böse“, die mit wissenschaftlicher Erkenntnis nichts zu tun hat. Dennoch bin ich irritiert.
Augustinus und mit ihm die anderen Kirchenväter, allen voran Cassian, unterschieben diesem „Gut und Böse“ das sexuelle Schema, als Scham vor der eigenen Körperlichkeit ‒ auch das ist Teil der biblischen Erzählung ‒, aber dennoch haben wir es mit einer Erkenntnis zu tun, von der die Menschen der Erzählung zufolge nichts ,wissen‛ dürfen. Es handelt sich eindeutig um ein Erkenntnisverbot. Klostervorsteher wie Cassian, der nicht nur Schriftsteller, sondern auch Abt gewesen ist, haben dann aber dieses Übel, zumindest für die Menschen, denn Gott hatte ja verhindern wollen, daß sie bestimmte Dinge ‚wissen‛, zum Hauptzweck der klösterlichen Askese gemacht. Die Gottesbeziehung sollte eine reine „Erkenntnisbeziehung“ sein, „nach dem Modell des Blicks und des Lichts“. (Vgl. SuW 4, S.298) Und diese Erkenntnisbeziehung stellte sich Cassian wiederum als einen „Akt der Betrachtung“ vor, „der mit dem Betrachteten ein und dasselbe ist“. (Vgl. SuW 4, S.297)
Wie kann das funktionieren? Wie konnte das paradiesische Erkenntnisverbot für die nachparadiesische Welt ausgerechnet das Vorbild für eine erstrebenswerte Gottesbeziehung werden?
Erkenntnis, Anerkenntnis, Verdachtserkenntnis ‒ Foucault bietet als Erklärung für diesen Umstand an, daß wir es mit zwei verschiedenen Erkenntnisbegriffen zu tun haben: mit einer Erkenntnis, die die christliche ‚Wahrheit‛ betrifft, und mit einer epistemologischen Erkenntnis, wie wir sie von den heutigen Wissenschaften kennen. Die Beziehung des Christen zur Wahrheit, wie sie ‚Hermas‛, der namentlich unbekannte Autor von „Der Hirte des Hermas“ (ca. 150), der zu den apostolischen Vätern gezählt wird, am Beispiel der Taufe beschreibt, hat nichts mit Erkenntnis zu tun, sondern mit Anerkenntnis. Foucault: „(Die Wahrheitsakte) gehören eher zur Ordnung der Anerkenntnis denn der Erkenntnis(.)“ (Vgl. SuW 4, S.84)
Die Wahrheit ist also nicht das Ergebnis von Reflexion und somit ein Bewußtseinsakt (vgl. SuW 4, S.81f.), sondern das Ergebnis einer Erleuchtung (vgl. SuW 4, S.80), und die Taufe besiegelt diese Erleuchtung, die das getaufte Subjekt ,bezeugt‛ (vgl. SuW 4, S.85): „Die metanoia (der Taufe) teilt die Seele (des Getauften) nicht in einen Teil, der erkennt, und in einen anderen, der erkannt werden muss. ... Sie besteht darin, den ‚Übergang‛ (in die Wahrheit ‒ DZ) zu bezeugen ‒ die Trennung, die Bewegung, die Transformation, den Zugang ‒ und zwar gleichzeitig als realen Prozess in der Seele und als tatsächliche Verpflichtung der Seele.“ (SuW 4, S.85)
Die Beziehung des Subjekts zur Wahrheit ist also die eines Zeugen der Verwandlung, die in seiner Seele stattgefunden hat. Diese Beziehung besteht nicht in einem Verhältnis des Subjekts zur Wahrheit (Subjekt-Objekt-Konstellation), sondern es ist in der Wahrheit. Der Taufakt erkennt diese Verwandlung an und besiegelt sie zugleich. So beschreibt es Hermas in „Der Hirte des Hermas“.
Ich frage mich, ob später, über Augustinus und dann in der Inquisition, aus dieser Anerkenntnis des Glaubens eine Verdachtserkenntnis geworden ist, aufgrund deren die Gläubigen nicht mehr als Gläubige anerkannt wurden, sondern potenziell des Abfalls vom Glauben verdächtigt wurden? So daß sie nicht mehr ,in Wahrheit‛ gläubig, sondern ,in Wahrheit‛ ungläubig waren? So daß sie also mit inquisitorischen Mitteln dazu gezwungen werden mußten, ihren Unglauben zu bezeugen?
Für eine solche Verdachtserkenntnis mit einer damit verbundenen Hermeneutik des Verdachts stehen Tertullians Überlegungen zu den begrenzten Taufeffekten: „Die Zeit, die der Taufe vorausgeht, darf daher keine des selbstgefälligen Vertrauens in sich selbst sein. Sie ist im Gegenteil eine Zeit ‚der Gefahr und der Furcht‛.() Tertullian misst der Notwendigkeit der ,Furcht‛ auf dem Weg, der zur Taufe führt, und auch im Leben eines Christen eine sehr große Bedeutung bei. ... Unter der Notwendigkeit des ‚metus‛ als ständiger Dimension des christlichen Lebens versteht er sowohl die Furcht vor Gott als auch die Furcht vor sich selbst ‒ das heißt die Angst vor der eigenen Schwäche, den Fehlern, deren man fähig ist, den Einschmeichelungen des Feindes in der Seele, der Blindheit oder Selbstgefälligkeit, dank deren wir uns von ihm überlisten lassen werden.“ (SuW 4, S.90)
Die Folgesätze gehören hier auch noch hin: „Derjenige, der die Taufe empfangen soll, muss Vertrauen haben, aber nicht in sich selbst, sondern in Gott. Die Unsicherheit, nicht bezüglich Gott, sondern bezüglich seiner eigenen Natur, seiner Schwäche, seinem Unvermögen, darf ihn nicht verlassen.“ (Ebenda)
Konversion versus Autonomie ‒ In seinen Vorlesungen zur „Hermeneutik des Subjekts“ (2004) bietet Foucault noch eine andere Version für den merkwürdigen Umstand an, daß die Kirchenväter so ein großes Gewicht auf die Erkenntnis legten. Foucault unterscheidet auch hier zwischen zwei verschiedenen Erkenntnisformen, aber diesmal zwischen einer Erkenntnisform, die auf die Konversion des Subjekts setzt, und einer Erkenntnisform, die die Autonomie des Subjekts behauptet. Natürlich ist die letztere Erkenntnisform die der Aufklärung und der Neuzeit ab dem 17. Jhdt., für die Foucault beispielhaft René Descartes und Immanuel Kant nennt.
Schon lange vor dem Christentum, in der griechischen Antike und später in der Kaiserzeit, hielt man den Menschen, so wie er ist, nicht für wahrheitsfähig. Es bedurfte einer Konversion, einer Korrektur des Menschen: „Daß das Subjekt als solches, so wie es sich selbst gegeben ist, der Wahrheit nicht fähig ist, das ist ein allgemeines Merkmal und ein Prinzip. Und es ist der Wahrheit nur fähig, wenn es an sich selbst eine Reihe von Operationen durchführt, eine Reihe von Veränderungen und Wandlungen durchmacht, die es zur Wahrheit befähigen. Dies ist, wie ich meine, ein grundlegendes Thema, in dem dann übrigens das Christentum sehr leicht seinen Platz findet ...“ (Foucault 2004, S.241)
Descartes (1596-1560) steht für den Moment, wo im aufgeklärten Denken des modernen Menschen „das Subjekt als solches der Wahrheit fähig wurde“: „Es genügt, die Augen zu öffnen, es genügt, gesund und geradewegs zu räsonieren (räsonieren steht für: seinen eigenen Verstand gebrauchen ‒ DZ), indem man sich stets und unfehlbar an die Gewißheit hält, und schon ist man der Wahrheit fähig.“ (Vgl. Foucault 2004, S.241f.)
Kant, so Foucault, geht hier noch einen Schritt weiter: „Was wir nicht zu erkennen fähig sind, das macht gerade die Struktur des erkennenden Subjekts aus, die bewirkt, daß wir es nicht erkennen können. Und infolgedessen ist die Idee, daß eine bestimmte geistige (spirituelle) Transformation des Subjekts diesem schließlich den Zugang zu etwas gewähren könnte, zu dem es gegenwärtig noch keinen Zugang hat, illusorisch.“ (Foucault 2004, S.242)
Letztlich lassen sich also die beiden Erkenntnisweisen dadurch unterscheiden, daß wir es bei der einen mit der Frage nach dem „Zugang zur Wahrheit“ und bei der anderen mit der Erkenntnis von Objekten zu tun haben. (Vgl. Foucault 2004, S.243)
Verzicht statt Konversion ‒ Zwar weist Foucault daraufhin, daß sich auch das Christentum dem Konversionsschema zuordnen läßt, verweist aber an späterer Stelle darauf, daß die Einstellung des Christentums zur Konversion ambivalent und widersprüchlich ist: „... daß wir im Christentum, der wichtigsten Achse der christlichen (Spiritualität), wie ich meine, eine Zurückweisung, eine ‒ von Widersprüchen nicht ganz freie ‒ Zurückweisung und Ablehnung dieser Umkehr zu sich finden werden.“ (Vgl. Foucault 2004, S.311)
Wie können christliche Praktiken wie etwa die klösterliche Askese, die ganz wesentlich auf einen „Verzicht auf sich selbst“ als Bestandteil ausschließlicher Gotteserkenntnis ausgerichtet ist, widerspruchsfrei als eine Form der Konversion, der Rückkehr zu sich selbst verstanden werden?
Gar nicht. Allerhöchstens im Sinne einer Rückkehr ins Paradies vor dem Sündenfall. Foucault jedenfalls nimmt seine frühere Behauptung einer Vereinbarkeit des Christentums mit der antiken Sorge um sich als Rückkehr zu sich selbst wieder zurück: „Ich meine also, daß im gesamten Christentum das Thema der Umkehr zu sich in starkem Maße ein zu bekämpfendes Thema geblieben ist und nicht etwa eins, welches das christliche Denken tatsächlich in sich aufgenommen hat und einbezogen hat.“ (Foucault 2004, S.312)
Augustinus und mit ihm die anderen Kirchenväter, allen voran Cassian, unterschieben diesem „Gut und Böse“ das sexuelle Schema, als Scham vor der eigenen Körperlichkeit ‒ auch das ist Teil der biblischen Erzählung ‒, aber dennoch haben wir es mit einer Erkenntnis zu tun, von der die Menschen der Erzählung zufolge nichts ,wissen‛ dürfen. Es handelt sich eindeutig um ein Erkenntnisverbot. Klostervorsteher wie Cassian, der nicht nur Schriftsteller, sondern auch Abt gewesen ist, haben dann aber dieses Übel, zumindest für die Menschen, denn Gott hatte ja verhindern wollen, daß sie bestimmte Dinge ‚wissen‛, zum Hauptzweck der klösterlichen Askese gemacht. Die Gottesbeziehung sollte eine reine „Erkenntnisbeziehung“ sein, „nach dem Modell des Blicks und des Lichts“. (Vgl. SuW 4, S.298) Und diese Erkenntnisbeziehung stellte sich Cassian wiederum als einen „Akt der Betrachtung“ vor, „der mit dem Betrachteten ein und dasselbe ist“. (Vgl. SuW 4, S.297)
Wie kann das funktionieren? Wie konnte das paradiesische Erkenntnisverbot für die nachparadiesische Welt ausgerechnet das Vorbild für eine erstrebenswerte Gottesbeziehung werden?
Erkenntnis, Anerkenntnis, Verdachtserkenntnis ‒ Foucault bietet als Erklärung für diesen Umstand an, daß wir es mit zwei verschiedenen Erkenntnisbegriffen zu tun haben: mit einer Erkenntnis, die die christliche ‚Wahrheit‛ betrifft, und mit einer epistemologischen Erkenntnis, wie wir sie von den heutigen Wissenschaften kennen. Die Beziehung des Christen zur Wahrheit, wie sie ‚Hermas‛, der namentlich unbekannte Autor von „Der Hirte des Hermas“ (ca. 150), der zu den apostolischen Vätern gezählt wird, am Beispiel der Taufe beschreibt, hat nichts mit Erkenntnis zu tun, sondern mit Anerkenntnis. Foucault: „(Die Wahrheitsakte) gehören eher zur Ordnung der Anerkenntnis denn der Erkenntnis(.)“ (Vgl. SuW 4, S.84)
Die Wahrheit ist also nicht das Ergebnis von Reflexion und somit ein Bewußtseinsakt (vgl. SuW 4, S.81f.), sondern das Ergebnis einer Erleuchtung (vgl. SuW 4, S.80), und die Taufe besiegelt diese Erleuchtung, die das getaufte Subjekt ,bezeugt‛ (vgl. SuW 4, S.85): „Die metanoia (der Taufe) teilt die Seele (des Getauften) nicht in einen Teil, der erkennt, und in einen anderen, der erkannt werden muss. ... Sie besteht darin, den ‚Übergang‛ (in die Wahrheit ‒ DZ) zu bezeugen ‒ die Trennung, die Bewegung, die Transformation, den Zugang ‒ und zwar gleichzeitig als realen Prozess in der Seele und als tatsächliche Verpflichtung der Seele.“ (SuW 4, S.85)
Die Beziehung des Subjekts zur Wahrheit ist also die eines Zeugen der Verwandlung, die in seiner Seele stattgefunden hat. Diese Beziehung besteht nicht in einem Verhältnis des Subjekts zur Wahrheit (Subjekt-Objekt-Konstellation), sondern es ist in der Wahrheit. Der Taufakt erkennt diese Verwandlung an und besiegelt sie zugleich. So beschreibt es Hermas in „Der Hirte des Hermas“.
Ich frage mich, ob später, über Augustinus und dann in der Inquisition, aus dieser Anerkenntnis des Glaubens eine Verdachtserkenntnis geworden ist, aufgrund deren die Gläubigen nicht mehr als Gläubige anerkannt wurden, sondern potenziell des Abfalls vom Glauben verdächtigt wurden? So daß sie nicht mehr ,in Wahrheit‛ gläubig, sondern ,in Wahrheit‛ ungläubig waren? So daß sie also mit inquisitorischen Mitteln dazu gezwungen werden mußten, ihren Unglauben zu bezeugen?
Für eine solche Verdachtserkenntnis mit einer damit verbundenen Hermeneutik des Verdachts stehen Tertullians Überlegungen zu den begrenzten Taufeffekten: „Die Zeit, die der Taufe vorausgeht, darf daher keine des selbstgefälligen Vertrauens in sich selbst sein. Sie ist im Gegenteil eine Zeit ‚der Gefahr und der Furcht‛.() Tertullian misst der Notwendigkeit der ,Furcht‛ auf dem Weg, der zur Taufe führt, und auch im Leben eines Christen eine sehr große Bedeutung bei. ... Unter der Notwendigkeit des ‚metus‛ als ständiger Dimension des christlichen Lebens versteht er sowohl die Furcht vor Gott als auch die Furcht vor sich selbst ‒ das heißt die Angst vor der eigenen Schwäche, den Fehlern, deren man fähig ist, den Einschmeichelungen des Feindes in der Seele, der Blindheit oder Selbstgefälligkeit, dank deren wir uns von ihm überlisten lassen werden.“ (SuW 4, S.90)
Die Folgesätze gehören hier auch noch hin: „Derjenige, der die Taufe empfangen soll, muss Vertrauen haben, aber nicht in sich selbst, sondern in Gott. Die Unsicherheit, nicht bezüglich Gott, sondern bezüglich seiner eigenen Natur, seiner Schwäche, seinem Unvermögen, darf ihn nicht verlassen.“ (Ebenda)
Konversion versus Autonomie ‒ In seinen Vorlesungen zur „Hermeneutik des Subjekts“ (2004) bietet Foucault noch eine andere Version für den merkwürdigen Umstand an, daß die Kirchenväter so ein großes Gewicht auf die Erkenntnis legten. Foucault unterscheidet auch hier zwischen zwei verschiedenen Erkenntnisformen, aber diesmal zwischen einer Erkenntnisform, die auf die Konversion des Subjekts setzt, und einer Erkenntnisform, die die Autonomie des Subjekts behauptet. Natürlich ist die letztere Erkenntnisform die der Aufklärung und der Neuzeit ab dem 17. Jhdt., für die Foucault beispielhaft René Descartes und Immanuel Kant nennt.
Schon lange vor dem Christentum, in der griechischen Antike und später in der Kaiserzeit, hielt man den Menschen, so wie er ist, nicht für wahrheitsfähig. Es bedurfte einer Konversion, einer Korrektur des Menschen: „Daß das Subjekt als solches, so wie es sich selbst gegeben ist, der Wahrheit nicht fähig ist, das ist ein allgemeines Merkmal und ein Prinzip. Und es ist der Wahrheit nur fähig, wenn es an sich selbst eine Reihe von Operationen durchführt, eine Reihe von Veränderungen und Wandlungen durchmacht, die es zur Wahrheit befähigen. Dies ist, wie ich meine, ein grundlegendes Thema, in dem dann übrigens das Christentum sehr leicht seinen Platz findet ...“ (Foucault 2004, S.241)
Descartes (1596-1560) steht für den Moment, wo im aufgeklärten Denken des modernen Menschen „das Subjekt als solches der Wahrheit fähig wurde“: „Es genügt, die Augen zu öffnen, es genügt, gesund und geradewegs zu räsonieren (räsonieren steht für: seinen eigenen Verstand gebrauchen ‒ DZ), indem man sich stets und unfehlbar an die Gewißheit hält, und schon ist man der Wahrheit fähig.“ (Vgl. Foucault 2004, S.241f.)
Kant, so Foucault, geht hier noch einen Schritt weiter: „Was wir nicht zu erkennen fähig sind, das macht gerade die Struktur des erkennenden Subjekts aus, die bewirkt, daß wir es nicht erkennen können. Und infolgedessen ist die Idee, daß eine bestimmte geistige (spirituelle) Transformation des Subjekts diesem schließlich den Zugang zu etwas gewähren könnte, zu dem es gegenwärtig noch keinen Zugang hat, illusorisch.“ (Foucault 2004, S.242)
Letztlich lassen sich also die beiden Erkenntnisweisen dadurch unterscheiden, daß wir es bei der einen mit der Frage nach dem „Zugang zur Wahrheit“ und bei der anderen mit der Erkenntnis von Objekten zu tun haben. (Vgl. Foucault 2004, S.243)
Verzicht statt Konversion ‒ Zwar weist Foucault daraufhin, daß sich auch das Christentum dem Konversionsschema zuordnen läßt, verweist aber an späterer Stelle darauf, daß die Einstellung des Christentums zur Konversion ambivalent und widersprüchlich ist: „... daß wir im Christentum, der wichtigsten Achse der christlichen (Spiritualität), wie ich meine, eine Zurückweisung, eine ‒ von Widersprüchen nicht ganz freie ‒ Zurückweisung und Ablehnung dieser Umkehr zu sich finden werden.“ (Vgl. Foucault 2004, S.311)
Wie können christliche Praktiken wie etwa die klösterliche Askese, die ganz wesentlich auf einen „Verzicht auf sich selbst“ als Bestandteil ausschließlicher Gotteserkenntnis ausgerichtet ist, widerspruchsfrei als eine Form der Konversion, der Rückkehr zu sich selbst verstanden werden?
Gar nicht. Allerhöchstens im Sinne einer Rückkehr ins Paradies vor dem Sündenfall. Foucault jedenfalls nimmt seine frühere Behauptung einer Vereinbarkeit des Christentums mit der antiken Sorge um sich als Rückkehr zu sich selbst wieder zurück: „Ich meine also, daß im gesamten Christentum das Thema der Umkehr zu sich in starkem Maße ein zu bekämpfendes Thema geblieben ist und nicht etwa eins, welches das christliche Denken tatsächlich in sich aufgenommen hat und einbezogen hat.“ (Foucault 2004, S.312)
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