„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Sonntag, 19. Juni 2022

PC-Exzeß zum dritten

Ich habe mich entschlossen, nicht weiter auf die Inhalte von „Rassistisches Erbe“ (2022) einzugehen. Es steht nichts drin, was ich als europäischer weißer Mann nicht schon wüßte; im Bewußtsein, daß all dieses Wissen nichts an dem kulturell subkutan einverleibten Rassismus ändert. Ich kann mein Verhalten ändern, aber nur wenig an Gedanken und Gefühlen, mit denen, über die Lebenswelt aufgesaugt, ich mich Zeit meines Lebens auseinanderzusetzen habe.

Nur noch kurz zu einigen der durchgestrichenen Unwörter: natürlich steht auch ‚Indianer‘ auf der Liste. (Leider stellt mir die Formatierungsleiste von blogspot keine Durchstreichfunktion zur Verfügung.) Letzte Woche war bei Bettina Tietjen im Abendstudio der Winnetou-Darsteller von den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg zu Gast. Es war gleichermaßen faszinierend wie erschreckend, zu sehen, wie der Schauspieler auf Tietjens unvermeidliche Frage zur politischen Korrektheit von Karl-May-Festspielen reagierte. Er fing an zu stottern und sein Gesicht spiegelte die blanke Angst, in die ihn diese Frage versetzte. Er versuchte nervös die Mayschen ‚Indianer‘-Geschichten zu harmlosen Märchen zu verniedlichen, hob ihren fiktiven Charakter hervor und verwies auf einen us-amerikanischen Indigenen – ‚Native‘ steht auf der Liste; wie übrigens auch ‚Häuptling‘ –, der wohlwollend vom Volksfestcharakter der Festspiele sprach und den Teilnehmern viel Freude und gute Unterhaltung wünschte. Dabei unterstrich der Schauspieler seine nervösen Äußerungen mit fahrigen Gesten und wischte sich den Angstschweiß an seinen Händen an den Hosenbeinen ab. Tietjen stand ihm so gut sie konnte bei und half ihm hier und da mit Stichworten weiter.

Dabei ist es gar nicht zu leugnen: Karl Mays Indianererzählungen, und nicht nur die, sind rassistisch. Ich selbst habe mich in diesem Blog dazu geäußert. (Vgl. meine Blogposts vom 19.02.2019 und 20.02.2019) – Das bringt mich zu zwei weiteren in den Listen durchgestrichener Unwörter aufgeführten Wörtern: ‚rot‘ und ‚gelb‘. ‚Rot‘ ist, wie auch ‚Gelb‘, ein Unwort, weil es eine Hautfarbe bezeichnet; oder besser: das Konstrukt einer Hautfarbe. Denn wirklich rote Menschen gibt es so wenig, wie es wirklich gelbe Menschen gibt. Warum aber gerade ‚rot‘ und ‚gelb‘? Warum nicht auch ‚weiß‘ und ‚schwarz‘? Auch diese beiden Wörter bezeichnen auf die menschliche Haut bezogene Farb-Konstrukte. Und gerade ‚weiß‘ erfüllt ja wohl auf besondere Weise alle Kriterien eine Unworts! Warum also gerade ‚weiß‘ nicht?

Susan Arndt liefert eine Begründung dafür. (Vgl. Arndt 2022, S.212f.) Diese Begründung ist pädagogisch: um sich als weißer Europäer – ich beschränke mich hier auf die männliche Form, weil nur weiße heterosexuelle Männer weitgehend diskriminierungsfrei durchs Leben gehen können – anti-rassistisch zu positionieren, können wir auf den Terminus ‚weiß‘ nicht verzichten. Wir müssen ihn vielmehr so oft wie möglich nutzen, um mit seiner Hilfe unsere Sonderposition reflektieren zu können. Obwohl es also ein Unwort ist, wird es nicht in die Liste durchgestrichener Unwörter aufgenommen.

Was aber nun die tatsächlich aufgeführten Unwörter ‚rot‘ und ‚gelb‘ betrifft: sind jetzt nur diese Wörter verboten oder auch die Farben, die sie bezeichnen? Sind jetzt nur noch blau, weiß und schwarz erlaubt? Welche Konsequenzen hat das für die Malerei? Muß ich aus meinem Farbdrucker Gelb und Magenta entfernen? – Schließlich denke ich an die Wörter ‚rot‘ und ‚gelb‘ auch dann, wenn ich etwas Rotes und Gelbes sehe; auch wenn ich diese Farbwörter nicht ausspreche.

Aber vielleicht reicht es ja, wenn ich diese Wörter einfach nicht mehr auf die Haut beziehe. Dem kann ich zustimmen.

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