„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Samstag, 4. Juni 2022

Neutrale Vermittler?

Wenn SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich China als neutralen Vermittler zwischen Rußland und der Ukraine für geeignet hält, weil sich China bei einer Verurteilung Rußlands in der UNO ‚zurückgehalten‘ habe, während Deutschland sich zugunsten der Ukraine positioniert habe, dann wird daran überdeutlich, wie sehr sich die SPD in ihre frühere Rußlandpolitik verstrickt hat und wie schwer es ihr fällt, sich davon zu befreien. Sie kann den Ausweg aus dem Putinschen Angriffskrieg gegen die Ukraine nur in den Kategorien eines ‚Handels‘ mit einem mit Putin gleichgesetzten Rußland denken.

Natürlich bildet ‚Handel‘‚ also Diplomatie, ein Wesensmerkmal vor allem der Außenpolitik. Und ,Wahrheit‘ hat in der Politik immer einen prekären Status und gehört eigentlich nicht dahin. Insofern mag die Tatsache, daß Putin den Krieg durch seinen Einmarsch in die Ukraine begonnen hat, keine ‚politische‘ Bedeutung haben. Politisch interessant ist ausschließlich die Frage, wie dieser Krieg beendet werden kann. Und an der im eigentlichen Sinne politischen Frage nach einem möglichen Ende des Krieges gibt es nichts moralisch Anrüchiges.

Aber politische Systeme wie das in China als ‚neutrale‘ Verhandlungsführer in Betracht zu ziehen, nur weil sich chinesische Vertreter eines selbst zutiefst inhumanen politischen Systems bei UNO-Beschlüssen nicht gegen Putin positioniert haben, ist blanker Hohn und nur möglich, weil SPD-Politiker wie Mützenich (noch) nicht zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Rußlandpolitik in den letzten 22 Jahren fähig sind. Ein Verhandlungsführer, der die Augen vor Putins Verantwortung für die russischen Kriegsverbrechen verschließt und sogar selbst für notorische Menschenrechtsverletzungen bekannt ist, wäre nicht neutral.

Allerdings ist die deutsche Opposition nicht besser. Weder die CDU, noch die Linke, noch die AFD können sich der eigenen Verantwortung für diesen Krieg entziehen. Es gibt, wenn ich das richtig sehe, nur eine Partei im Bundestag, die sich hier nichts vorzuwerfen hat.

PS: Auch in diesem Blogpost wimmelt es wieder von Worten, die zu groß sind, um wahr zu sein. ‚China‘, ‚Deutschland‘, , Rußland‘ – man möge es mir nachsehen. Ich versuche, sie immer wieder einzufangen und ihre Größe zu reduzieren.

4 Kommentare:

  1. Es ist schon irgendwie richtig, aber man sollte den Eisernen Vorhang nicht außer Acht lassen. Es war doch die Entspannungspolitik der SPD, die einen grossen Beitrag leistete, dass dieser fiel! Dann schien es für die meisten, als wenn die Ost-West Problematik der Vergangenheit angehören könnte. Beziehungen wurden aufgebaut. Beim 2. Irakkrieg gab es nach meiner Erinnerung eine Achse Frankreich-Deutschland-Russland, die nicht mitmachte. War ich sehr stolz drauf, da der Krieg völkerrechtlich nicht legitimiert war. Es war der Durchbruch von Power-Point, der Technik, mit der medienwirksam nicht vorhandene Chemie-Labore eine Scheinwirklichkeit erhielten. Joschka Fischer war alles andere als überzeugt. Es war eine schöne Vision - russische Wissenschaftler konnten endlich wieder mit westlicher europäischer Kultur zusammenarbeiten. Nun nicht mehr. Die Visa-Affäre von anderer Warte betrachtet, steht dafür, dass die Grünen an dieser blauäugigen Annäherung zwischen Ost und West beteiligt waren. Sie haben es wie vieles andere genauso mitgetragen. Sie haben sich nichts vorzuwerfen? Pazifismus hatte viele Jahre eine Heimat bei dieser Partei. Jetzt haben sie ihn vollständig abgeworfen. Ob dies gut oder schlecht ist, ist egal. Sie haben sich nichts vorzuwerfen? Ich denke eher, dass sie seit vielen Jahren medienwirksam klug wirken. Den Spagat zwischen Umweltschutz und Waffenlieferungen nun ohne Diskurs hinzubiegen, ist jedenfalls genial. So wie sie es auch der Vergessenheit anheimgaben, sich für Sex mit Kindern eingesetzt zu haben.
    Grüße, S.R

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  2. Natürlich habe ich nicht vor, die Grünen hier heiligzusprechen. Was den Pazifismus betrifft, halte ich ihn nicht für einen Fehler, sondern für eine moralische Entscheidung, die wie alle Werteentscheidungen der Güterabwägung unterliegt. Und die Pädophilie war, wenn ich mich nicht irre, weniger ein genuin grünes Problem als ein Problem der Wehrlosigkeit gegenüber den Aktionen pädophiler Aktivisten, die grüne Parteitage kaperten.

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  3. Nein, es war nicht gekapert, sondern Programm. Aber man hat sich später klar davon distanziert, das stimmt (siehe den link unten). Sehr klug gemacht und keinen Schaden genommen. Einem Bischof Mixa wurden in öffentlichen Artikeln von den Grünen ohne Umschweife „Maulschellen“ vorgeworfen (vor der klugen wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser eigenen Vergehen, die aber offenbar auch hier kritiklos hingenommen wird).
    Sie sind halt in den Medien und diktieren bis hier die Meinung, SR


    https://cms.gruene.de/uploads/documents/Broschuere_Aufarbeitung_und_Verantwortung_Online_190515_074146.pdf

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  4. Du hast Recht. Daß das mit den ‚gekaperten‘ Parteitagen nur eine Verteidigungsstrategie war, ist mir nicht bewußt gewesen. Ich kann mich noch an Fernsehbilder dieser Zeit erinnern, wo mir die pikierten Gesichter einiger Grüner angesichts der pädophilen Aktivisten auf ihrer Bühne haften geblieben sind. Ich hatte es tatsächlich so wahrgenommen.

    Aber daß es in den Anfängen der Grünen tatsächlich eine Unterstützung pädosexueller Ansprüche auf eine gleichberechtigte sexuelle Orientierung gegeben hatte, habe ich schon gewußt, und ich dachte mir damals auch, daß ihnen das nochmal auf die Füße fallen würde. Allerdings habe ich in meinem Blogpost auch mit Bedacht nicht nur von der Rußlandpolitik geschrieben, sondern das auch noch auf die „letzten 22 Jahre“ begrenzt. Ich wollte halt den Grünen keinen Persilschein für ihre gesamte Geschichte ausstellen, und die Rußlandpolitik Willi Brands wollte ich auch nicht in Frage stellen.

    Die Anfänge der Grüne waren Ende der 1970er, Anfang der 1980er schillernd. Da gabe es auch viel Braunes im Grünen. Es brauchte einige Jahre, bis die Grünen sich von solchen trübern Wassern absetzten.

    Was die Pädosexualität betrifft, ist meine Haltung immer schon eindeutig gewesen: es gibt keinen guten Sex zwischen Erwachsenen und Kindern; aus dem einfachen Grund, weil sie sich nicht auf Augenhöhe befinden. Kinder sind Erwachsenen gegenüber abhängig. Erwachsene, die sich dieses Umstandes nicht bewußt sind, sollten sich von Kindern fernhalten: leave them kids alone!

    Heute messe ich die Grünen vor allem an ihrem Anspruch, sich für eine menschliche Zukunft auf einem bewohnbaren Planeten einzusetzen. Alles andere ist zweitrangig. Und mich besorgt, daß alle Welt von Verzicht redet, aber damit nur noch Putin und sein Gas meint.

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