„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Sonntag, 16. Februar 2020

Kleine politische Farbenlehre (Fortsetzung)

Ich glaube, ich habe im letzten Blogpost deutlich machen können, daß wir es bei der CDU keineswegs mit einer wertkonservativen Partei zu tun haben. Im Sinne eines christlich-bürgerlich-liberalen Wertekanons können wir eher die SPD und die Grünen ‚wertkonservativ‘ nennen. Bei der Linken finden wir eher einen internationalistisch-kollektivistischen Wertekanon. Aber wie die anderen Parteien mit Ausnahme der AfD steht die Linke einwandfrei auf dem Boden des deutschen Grundgesetzes.

Nun darf man aber nicht den Fehler machen, zu denken, das Grundgesetz beinhalte einen Wertekanon! Es vertritt vielmehr eine wertneutrale Haltung, die über den Werten steht, so daß im Geltungsbereich des Grundgesetzes viele verschiedene Wertorientierungen möglich sind. Das Grundgesetz kennt nur einen einzigen Wert, an den sich alle Wertekanons begrenzen lassen müssen: die Würde des Menschen.

An diesen Grundkonsens, der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, haben sich alle demokratischen Parteien zu halten, gleichgültig, welchem Wertekanon sie sich verpflichtet fühlen. Auch wenn ich der Werteorientierung der CDU/CSU mißtraue, die allen Ernstes meint, am Ende der Merkel-Ära in die 1950er Jahre zurückkehren zu können; und auch wenn die FDP den Liberalismus auf Wirtschaftsliberalismus verengt, können wir wohl doch davon ausgehen, daß auch in diesen Parteien die Würde des Menschen nicht zur Disposition steht.

Nur eine einzige der im Bundestag und in den Landtagen vertretenen Parteien arbeitet an der Relativierung und damit an der Abschaffung dieses Grundwertes: die AfD. Und genau das ist es, was diese Demokratie nicht tolerieren kann. An diesem Punkt ist das Grundgesetz nicht werteneutral.

Mir wird viel zu viel von der ‚Wertegemeinschaft‘ gesprochen, mit der mal Europa, mal die NATO gemeint ist. Europa ist in erster Linie ein Wirtschaftsraum. Die ‚Werte‘, um die es hier geht, sind Werte des freien Personen- und Warenverkehrs. Die Würde des Menschen spielt da nur am Rande eine Rolle. Es gibt auch keine Wertegemeinschaft mit den USA. Die Werteorientierung der US-Amerikaner unterscheidet sich zum Teil erheblich von der unseren. Die einzige Gemeinsamkeit könnte auch hier wieder nur die Unantastbarkeit der Würde des Menschen bilden. Aber wir wissen ja nur allzu gut, wie es um diesen Grundwert unter dem derzeitigen US-Präsidenten bestellt ist.

Worte wie ‚Wertegemeinschaft‘ sind schnell dahergesagt. Es ist wie mit der Werteorientierung der CDU: so wie sie bestimmte Werte für sich in Anspruch nimmt, ohne daß damit eine substantielle politische Praxis einhergeht, schadet sie ihnen mehr, als sie ihnen nutzt. Und es öffnet dem destruktiven Populismus a la AfD Tür und Tor.

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