„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Freitag, 7. Februar 2020

150. Geburtstag von Alfred Adler

In diesen Tagen jährt sich der 150. Geburtstag von Alfred Adler (1870-1837). Eine Gelegenheit, um auf Parallelen zwischen seiner Individualpsychologie und meiner Anthropologie hinzuweisen. Alfred Adler pointierte die Ontogenese des Individuums gegenüber den anderen beiden Entwicklungsebenen, der biologischen und kulturellen Phylogenese. Und im Rahmen dieser Positionierung des Individuums hob er den „Minderwertigkeitskomplex“ als das Hauptmotiv für die Entwicklung des individuellen Menschen hervor.

Beides entspricht meinem eigenen Ansatz, insofern ich das Individuum auf der Grenze zwischen Biologie und Kultur positioniere und es als Subjekt der Menschheitsentwicklung verstehe. Der Minderwertigkeitskomplex entspricht wiederum der exzentrischen Positionalität von Helmuth Plessner, denn diese beruht auf der Erfahrung des intentionalen Scheiterns, die zu einem „Hiatus“ führt, zu einem unheilbaren Bruch zwischen Mensch und Welt. Diese Erfahrung des Scheiterns kann man aus psychologischer Sicht ohne weiteres auch als Minderwertigkeitserfahrung bezeichnen und als anthropologische Komplexion, also als eine komplexe Struktur in der menschlichen Psyche begreifen. „Minderwertigkeitskomplex“ bezeichnet also kein Krankheitsbild.

Übrigens wußte auch Jean-Jacques Rousseau in seinem Emile (1760) von diesem Minderwertigkeitskomplex. So beschreibt er das Entwicklungsprinzip des Kindes als ein Streben nach Stärke aus der Position der Schwäche heraus. Versucht man aus falsch verstandener Fürsorge dem Kind über seine Schwäche hinwegzuhelfen bzw. hinwegzutäuschen, nimmt man ihm den Wunsch, zu wachsen. Das kann man auch auf die heutigen digitalen Technologien beziehen. Sie zielen darauf ab, die Menschen an allseitige Befürsorgung (Internet der Dinge) zu gewöhnen. Daraus entsteht ein Bewußtsein der Omnipotenz. Die Menschen hören auf, sich (individuell) zu entwickeln.

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