„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Dienstag, 21. Januar 2020

Nietzsche: korrigiert

In „Also sprach Zarathustra“ heißt es: „Was groß ist am Menschen, das ist, daß er eine Brücke und kein Zweck ist: Was geliebt werden kann am Menschen, das ist, daß er ein Übergang und kein Untergang ist.“

Nietzsche vermengt hier unter Weglassung der individuellen Entwicklungsebene die biologische Entwicklung mit der kulturellen Entwicklung des Menschen. Die mit dem Aphorismus verbundene, scheinbar anthropologische ‚Wahrheit‘ ist aber nur eine biologische und beruht auf Charles Darwins „Entstehung der Arten“, bekannt als Evolutionstheorie. Aus Darwins wissenschaftlicher Erkenntnis wird in Nietzsches Aphorismus ‚Liebe‘; Liebe zu etwas Künftigem, was nicht mehr menschlich ist.

Dieser Aphorismus hat viel Unheil angerichtet. Nietzsche machte es den Nationalsozialisten, an die er beim Verfassen dieses kurzen Textes noch nicht hatte denken können, leicht, ihn mißzuverstehen. Es gibt keinen Gleichschritt im biologischen und kulturellen Prozeß der Menschheitsentwicklung. Was biologisch im zeitlichen Maß von Jahrhunderttausenden und Jahrmillionen geschieht, beschleunigte sich im kulturellen Bereich seit dem Neolithikum zu heute auf in Jahresabständen einander abwechselnden Umwälzungen unserer Lebensverhältnisse.

Der Satz müßte umformuliert werden, damit er als Aussage über den Menschen ernstgenommen werden kann: „Was groß am Menschen ist, das ist, daß er eine Grenze ist: Was geliebt werden kann am Menschen, das ist, daß er weder ein biologischer noch ein kultureller Zweck ist.“

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