„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Freitag, 1. Februar 2019

Elephanten

Es gibt eine alte südasiatische Parabel, in der blinde Männer einen Elephanten untersuchen, und jeder wendet sich einem bestimmten Körperteil zu. Einer meint, der Elephant sei eine Säule (Bein), ein anderer, er sei ein Speer (Stoßzahn), wieder ein anderer, er sei eine an einer Leine befestigte Bürste (Schwanz) usw. Man könnte das Ganze noch ein wenig auf die Spitze treiben und behaupten, daß die blinden Männer nur über einen einzigen Sinn verfügen, den Tastsinn, und alle anderen Sinne, nicht nur der Sehsinn, ausgeschaltet sind. Sie können also den Elephanten nicht nur nicht sehen, sondern auch nicht hören, nicht riechen und seine Wärme nicht wahrnehmen. Damit wäre der ganze lebendige Leib der Männer fast vollständig anästhesiert und wir hätten eine moderne Parabel über die heutigen Naturwissenschaften.

Aber nein! – Eigentlich müßten wir sogar noch einen Schritt weitergehen. Stellen wir uns vor, die Männer verfügten über überhaupt keine funktionierenden Sinne; nicht einmal über den Tastsinn. Ihr einziger Zugang zum Elephanten bestünde in Apparaten, mit denen sie verkabelt sind, so daß sie ihren Gehirnen auf elektrischem Wege Input über den Elephanten liefern. Der Input besteht aus Informationen, die durch Experimente mithilfe von Instrumenten gewonnen werden, die den Elephanten veranlassen, zu reagieren. Diese ‚Reaktionen‘ können auf physiologischer Ebene oder auf der Verhaltensebene erfolgen, oder einfach im Abtasten (mit Hilfe von Lasern oder Sonaren) bestehen. Das einzige Kriterium, mit dessen Hilfe die Informationen ausgewertet werden, besteht in mathematischen Modellen. Was von diesen mathematischen Modellen nicht erfaßt wird, wird auch nicht ‚wahrgenommen‘.

Jetzt stellen wir uns vor, dieser Elephant wäre unendlich groß, also das Universum, und zugleich unendlich klein, also subatomar. Jetzt hätten wir die Erkenntnisebene der modernen Naturwissenschaft erreicht: lauter total anästhesierte Männer (und Frauen), deren Weltbild auf der mathematischen Verarbeitung von maschinell gewonnenen Informationen beruht.

Die Mathematik ist meiner Ansicht nach deshalb so geeignet, unsinnliche Verfahren der Wirklichkeitswahrnehmung zu unterstützen, weil sie nichts abbildet. Sie besteht ausschließlich aus logischen Konstrukten und ist völlig bedeutungsleer. Genau das macht sie für eine universelle Anwendung so brauchbar, denn wir müssen das, was wir mit ihrer Hilfe erforschen, nicht kennen, um es für neue Technologien verfügbar zu machen.

Es ist offensichtlich, daß diese mathematischen Modelle noch weniger ‚Wirklichkeit‘ erfassen als jene blinden Männer der ursprünglichen Parabel, die den Elephanten immerhin betasten können. Aber überlegen wir weiter: Der von den blinden Männern betastete Elephant könnte ein von seiner Herde ausgestoßener einzelgängerischer Bulle sein, der kurz davor ist, die Geduld mit den blinden Männern zu verlieren, und im nächsten Moment über sie herfallen wird.

Da die Mathematik völlig leer ist und lediglich aus logischen Konstrukten besteht, bearbeiten wir mit ihrer Hilfe das Universum, wie vor einigen Jahren, als man erkenntnishalber ein paar klitzekleine Singularitäten künstlich herstellte, nur um zu sehen, was passiert, ohne daß wir auch nur im entferntesten eine Ahnung davon haben, welches Ungeheuer wir da möglicherweise wecken.

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7 Kommentare:

  1. Als jemand der viel Mathematisch denkt, ist das unglaublich intressante sichtweise. Die Punkte das Maschinen nicht unsere Wahrnmeung erstezen können finde ich nicht ganz richtig. Betonung liegt auf ganz, denn das Blinde Expermentieren mit unbekannten folgen ist wirklich ein gefärliches Spiel. Aber jemand oder etwas für einen Sehen zu lassen, was man selber nicht sehen kann. Das klingt für mich sehr vertraut.
    Blindenhunde, die ihre Wahrnemung mit ihrem Partner teilen und disese für ihn Wahrnembares (Für "wissenschaftler" Mathe) übersetzen.
    Mathe ist wohl wirklich leer, aber wohl genau so leer wie die Sprache. Das was die Sprache doch erst füllt ist wie wir sie verwenden?
    Wir lassen unseren gegenüber mit wortwahl, stimmlage, körpersprache spüren was sie bedeutet.Wie füllen sie.

    Ich denke, das Mathe Leer ist. Aber nur aus dem Grund weil sie so 2 Dimensional verwendet wird und das nur: da Computer sie nur so verwenden können.

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    1. Natürlich hast Du recht. Maschinen können unsere Wahrnehmung ergänzen. Und Blindenhunden vertrauen wir auch. wie wir auch Experten vertrauen können, wenn auch nicht immer. Denn die Experten verfolgen oft ihre eigenen Interessen, die sich mit unseren Interessen nicht decken müssen. Da wird das Vertrauen gefährlich. Und wenn wir anfangen, uns in Wirklichkeitsbereichen zu bewegen, in denen wir mit unseren Sinnesorganen überhaupt keinen Zugang haben, für die wir aber Maschinen entwickeln, die dort an unserer Stelle Wirkungen erzeugen, also ‚handeln‘, dann paßt der Vergleich mit einem Blindenhund nicht mehr. Denn mit dem Blindenhund bewegen wir uns immer noch in der gleichen Wirklichkeit, auch wenn wir blind sind und er sehend. Auch verändert sich die Wirklichkeit nicht, wenn uns der Blindenhund führt. Das ist mit den Maschinen anders: sie bewegen sich in anderen Wirklichkeitsbereichen, und sie verändern zugleich auch die Wirklichkeit, in der wir leben. Und wir Nicht-Mathematiker haben keine Ahnung, was da passiert. Was ich übrigens auch den Mathematikern unterstelle. Nur weil sie Formeln benutzen, die funktionieren, heißt das nicht, daß sie verstehen, was sie tun.

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    2. Was die Sprache betrifft: das sehe ich anders. Die Mathematik ist deshalb leer, weil sie auf nichts verweist. Ich kann mit ihr auf nichts zeigen. In der Sprache kann ich sagen: Sieh dieses Dreieck! Oder: Sieh diese Zahl! – In der Sprache kann ich Dir etwas mitteilen. In der Mathematik kann ich nur Formeln mitteilen. Aber die Winkelsumme eines Dreiecks weist nicht auf das Dreieck hin. Sie formuliert nur ein ideales Dreieck von 180°. Dieses ideale Dreieck gibt es aber nur in der Mathematik. Es ist kein wirklicher Gegenstand, auf den man verweisen kann.

      Die Sprache funktioniert tatsächlich nur in der Interaktion unter mehreren Personen. Das hast Du wieder recht, und das ist genau der Punkt. Die Mathematik aber funktioniert für sich selbst. Sie braucht keine Menschen. Menschern fügen der Mathematik nichts hinzu, was sie nicht schon für sich selbst wäre.

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    3. Das die Mathematiker nicht Wissen was sie tun, ist doch Kern der Wissenschaft oder? Geht es nicht darum neues zu entdecken? Erklärungen für Fragen zu finden?
      Ich würde Rücksichtslose Forschung und Neues Entdecken nicht in einen Topf werfen. Ich glaube nicht das es so gehmeint war, möchte aber darauf hinweisen das es mir so rüberkommt.

      Das mit Mathe auf nichts verwiesen werden kann stimmt. Aber nur wenn sie alleine Arbeitet.
      ich würde Mathe wie ein Automotor ansehen. Er funktioniert alleine für sich. Trägt nichts zu irgend etwas bei und verschmutzt nur die Luft. Bis man ein Gang einlegt.
      Sobald man Mathe mit etwas kombiniert, kann etwas bereichert werden.
      Wie das Zeichnen von Schatten bei Bildern, um sie 3 Diminsionaler wirken zu lassen, alleine wären die Schatten nur Graue Flecken.
      Oder ein Bäcker, der erst mit einer Wage den Teig abwiegt. Der mit genügend Erfahrung. Teig auf den Gramm genau, in seiner Hand abwiegen kann. Das konnte aber erst ereicht werden, indem mit Mathe der vergleich Wert gesetzt wurde. Ein Würfel aus Holz hätte auch ein vergleich wert sein können...oh...ich glaube ich verstehe was mit der veränderung der Realität jetzt gemeint ist. Die Wage sagt 100 Gramm, aber wer kann sich sicher sein, das was die Wage sagt wirklich 100 Gramm ist?

      Stimmt...das ist wirklich ein Problem. Man hat ja niemanden den man fragen kann ob es stimmt. Wie im falle vom Blinden. Ein nicht Blinden fragen.

      Doch hat nicht alles die Möglichkeit uns anzulügen? Selbst wenn es nur ausversehen ist? Dann ist es kein Problem der Maschine oder der Mathematik, nicht mal der Mathematiker.
      Egal auf welcher Ebene der Wahrnehmung wir uns befinden. Jeder kann angelogen werden, man kann sich sogar selbst anlügen.

      Aber das ist das Problem oder?
      Einer Maschine und nicht vertraunswürdigen Personen, vertrauen zu müssen. Ohne die möglichkeit es auf seine Warheit überprüfen zu können?
      Oder binn ich grade auf dem Holzweg gelandet?

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  2. Wenn ich behaupte, daß z.B. theoretische Physiker (Universum oder subatomare Ereignisse) nicht verstehen, was sie wissen, meine ich damit, daß sie ihre Erklärungen auf das Beibringen von mathematischen Formeln reduzieren. Sobald man etwas berechnen kann, ist es ‚verstanden‘, auch wenn man tatsächlich gar nich weiß, was genau da als physikalisches Ereignis in Formeln gefaßt wird.

    Du bringst übrigens gute Vergleiche. Das mit dem Automotor gefällt mir. Und das mit dem Eichmaß ist genau das, was ich meine. Um zu wissen, ob die Waage wirklich 100g mißt, muß man erstens eine Definition von 100g haben und dann Gerät eichen, also auf ein Stück Realität beziehen. Dieses Stück Realität ist das, worauf sich Wissenschaftler einigen müssen. Sonst mißt die Waage gar nichts. Diese Einigung geschieht aber sprachlich, nicht mathematisch. Das ist der Unterschied zwischen Sprache und Mathematik.

    Also ich denke: kein Holzweg! :)

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  3. Also ist das Problem das Mathematiker haben, das sie ihre Formeln garnicht übersetzen.
    Im schlimmsten fall, können die Mathematiker sie nicht mal übersetzen. Sind aber trozdem der überzeugung das sie das Problem gelöst hätten.(?)

    Die Arroganz zu sagen: "Die Arbeit ist getan" ohne den Schluss Satz zu setzen, ist also das Große Problem. Verstehe ich das Richtig?
    Das klingt für mich ziemlich glaubwürdig das es exestiert. E=MC^2 Einmal das universum erklärt...äh ne, das wäre zu einfach.

    Andernseits was diese Formeln meinen wird doch aber meines wissens erklärt/definiert? Und eifrig diskutiert. In einem Fach Latein, wo ich nur Bahnhof verstehe. Aber es wird versucht erklärt zu werden.

    Ich lehne mich sehr weit aus dem Fenster. Aber ich schätze, der grund warum nicht sofort alles erklärt wird liegt daran das sie es nicht erklären können. Aber die Gewissenheit haben, es irgendwan zu erklären.
    Wie ein Fußabdruck den man entdeckt hat. Man kann alles mögliche an Theorien über diesen Fuß aufstellen. Doch der Fußabdruck an sich verändert sich nicht. Also kann man ihn Messen und die Maße sind dann die Formel. Sobald jemand nun auf das Trifft was den Fußabdruck verursacht hat. Kann man es zuordnen. Und auch wenn man nie sieht was eignetlich den Fußabdruck verursacht, so kann man mit Ködern (Passendes Experiment) den Effekt absichtlich hervorrufen.
    Dann hat man eine Formel mit einer Unbekannten (X), was nur im Mathematischen funktioniert. Und trozdem kann man das Ereignis erklären. Zumindest fast vollständig.

    Mit Unbekannten arbeiten ist ein gefärliches spiel...
    Denn Unterschied zwischen Sprache und Mathematik hab ich nun verstanden...denke ich.

    Ich Verusche mal für mich zusammen zu fassen. Es ist ein Problem
    -Weil Mathe für sich allein Gestellt leer ist.
    -Weil Mathematiker gefärlich gerne mit Unbekannten Arbeiten.
    -Weil Mathematiker ihre Formeln, nicht übersetzen oder Schlimmer: Sie übersetzen während noch unbekanntes exestiert. Wodurch sich das was wir als Echt Wahrnehmen, sich zusammen mit den neuen Lückenfüllern oder Besser klingenden erklärung ständig verändert.
    -Weil Mathematiker (oft/Manchmal/???) lieber ihren eigenen bedürfnissen nachgehen. Und keine Rücksicht auf die nicht Mathematiker nehmen.
    -Weil sobald eine (unfertige) Formeln steht, das ereignis als erklärt zählt.
    -Weil Maschienen ohne einen Vergleichswert Messen und so mit Zahlen ohne Bedeutung gerechnet wird.

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  4. Theoretische Physiker und Mathematiker wie Einstein erklären ihre Formeln, indem sie Beispiele aus dem Lebensalltag nehmen, z.B. Züge und Taschenlampen oder Fahrstühle für Lichtgeschwindigkeit oder Gravitation. Das sind Bilder oder Metaphern, die die Formeln veranschaulichen sollen. Die Relativitätstheorie und die Quantentheorie behaupten aber solche für unseren Menschenverstand absurd klingenden Unsinnigkeiten, daß diese Bilder nicht wirklich beschreiben, was ist, sondern nur vergleichsweise harmlose Geschichten erzählen. Was ist dunkle Materie? Keiner weiß es. Dunkle Energie? Haltlose Behauptungen, die nur indirekt aus Erklärungslücken unvollständiger Theorien und mathematischer Modelle erschlossen werden. Tatsächlich werden auf dieser Grundlage Technologien entwickelt, die funktionieren. Aber warum funktionieren sie? Eigentlich weiß es niemand. Man ist sich aber sicher, daß das bloße Funktionieren beweiskräftig genug ist, um die Theorien und Modelle zu bestätigen.

    Deshalb ja: Mit Unbekannten arbeiten ist ein gefährliches Spiel. Das sollten die Lehrer den Schülern im Mathe-Unterricht einmal beibringen! Kommt aber natürlich in keinem Lehrplan vor.

    Deine Zusammenfassung ist gut. An einer Stelle habe ich aber Ergänzungen zu machen. Es geht mir nicht darum, daß die Mathematiker andere Interessen als die Nicht-Mathematiker haben. Es geht mir darum, daß es in der Forschung oft nicht um Wissen geht, sondern um Anwendung, also um Technologien. Die Forschung wird von Wirtschaftsunternehmen gesponsert. Deshalb vertreten immer mehr Forscher nicht die Interessen der Menschen, sondern die Interessen der Unternehmen. Auch das ist gefährlich, insbesondere wenn mit Unbekannten gearbeitet wird.

    Ich freue mich über Deine Kommentare: sie erweitern den Horizont meines Blogposts. Danke!

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