„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Montag, 22. April 2019

Der zweite Gedanke

In meinem gestrigen Post war von meinem zweiten Gedanken die Rede gewesen, der darin besteht, daß Sagen und Meinen niemals zur Deckung kommen und daß das der Grund ist, warum das, was wir sagen, eine Bedeutung hat. Hier bewege ich mich aber noch auf der Ebene von Wörtern. (Vgl. hierzu meinen Blogpost vom 15.06.2012)  In anderen Posts habe ich auf die S/P-Struktur von Sätzen hingewiesen. Beides, die Differenz von Sagen und Meinen und die S/P-Struktur von Sätzen, hängt eng zusammen. Beides hat etwas mit unserer gebrochenen Intentionalität zu tun: unser Begehren muß in einer unvollkommenen Welt, einer Welt, die wir nicht gemacht haben, immer unbefriedigt bleiben. Die Quelle der Macht von Magie, Religion und Technik liegt in dem Versprechen unmittelbarer Wunscherfüllung; im Diesseits oder im Jenseits macht dabei keinen Unterschied.

In diesem Blogpost möchte ich nochmal auf die S/P-Struktur von Sätzen eingehen und in dieser Hinsicht meinen zweiten Gedanken etwas detaillierter erläutern. Mit der Subjekt-Prädikatstruktur (S/P-Struktur) eines Satzes meine ich die die grammatische Struktur überschreitende Verbindung eines Satzes mit seinem Gegenstand. Beim Gegenstand handelt es sich um ein dem Satz transzendentes, wirkliches Objekt, auf das der Satz nur verweisen (referieren) und das er nur beschreiben (prädizieren) kann. ‚Prädizieren‘ bedeutet, daß ‚etwas‘ (Prädikat) über ‚etwas‘ (Objekt) ausgesagt wird. Das prädizierte Objekt können wir mit Mauthner auch als das eigentliche Subjekt des Satzes oder auch als ‚Realobjekt‘ bezeichnen, das nicht mit dem grammatischen Subjekt identisch sein muß. Nennen wir das grammatische Subjekt deshalb ‚S‘ und das Realobjekt ‚S'‘.

S' kann mit der Position von S im Satz identisch sein, ohne daß S' und S identisch sind. Wenn also „Die Studenten in Berlin demonstrieren“, dann sind die „Studenten“  gleichzeitig S und S', also gleichzeitig Satzsubjekt und wirkliches Subjekt bzw. Realobjekt, ohne daß die wirklichen Studenten mit dem Satzsubjekt identisch sind. Im Satz „Die Studienzeit bietet vielen Studenten die Möglichkeit, sich politisch zu engagieren“ sind die Studenten hingegen Bestandteil des Prädikats, das das Satzsubjekt (Studienzeit) prädiziert; aber zugleich bilden sie als Realobjekt das eigentliche Subjekt, S', des Satzes, in dem es um die Studenten geht und nicht um die Studienzeit. Hier fallen die realen Studenten (S') mit der grammatischen Position von S (Studienzeit) nicht zusammen. Der Satz kann auf die Studenten, als seinem Realobjekt, nur verweisen.

Mit dieser S/P-Struktur, also der Unterscheidung von Prädikat und Objekt bzw. von S und S', versuche ich dem Umstand gerecht zu werden, daß Sätze von wirklichen Gegenständen handeln, aber nicht mit diesen wirklichen Gegenständen identisch sind. Sätze spiegeln auf diese Weise die Struktur unserer gebrochenen Intentionalität.
PS: Die S/P-Struktur von Sätzen ähnelt übrigens der Struktur der Gestaltwahrnehmung (mein vierter Gedanke): Subjekt = Hintergrund und Prädikat = Vordergrund; was wir auf verschiedene Weise prädizieren (in den Vordergrund rücken), nämlich das Realobjekt, bleibt selbst unverändert im Hintergrund.
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