„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Thomas Nagel, Geist und Kosmos. Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist, Berlin 2013

1. These
2. Methode
3. Sprache und Logik
4. Letztbegründungsansprüche
5. Mensch/Welt und Teil/Ganzes
6. Doppelaspektivität
7. Werterealismus
8. Sinn von Sinn

In meinem Post vom 16.12.2013 war schon davon die Rede gewesen, daß Nagel zwei verschiedene Sichtweisen auf ein Phänomen, wie sie Plessner als Doppelaspektivität bezeichnet (vgl.u.a. meine Posts vom 21.10.22.10. und vom 28.10.2010), als verschiedene Tatsachen beschreibt. So wird das Aufleuchten der Ziffer 8 auf dem Display eines Taschenrechners als eine physikalische und zugleich als eine mentale Tatsache bezeichnet. (Vgl. Nagel 2013, S.79) Wir haben es hier aber weder mit zwei verschiedenen Tatsachen zu tun, wie sie zwei kausal mit einander verknüpfte, rollende Billardkugeln auf einem Billardtisch, noch wie sie das kausal voneinander unabhängige, gleichzeitige Rollen von Kugeln auf zwei verschiedenen Billardtischen darstellen würden.

Der mentale Blick auf die physikalische Leuchtziffer stellt keine zusätzliche, von der physikalischen Leuchtziffer auf dem Display des Taschenrechners unterscheidbare Tatsache dar – weder zeitlich nacheinander noch gleichzeitig –, sondern er verwandelt ein- und dieselbe Leuchtziffer in ein Doppelphänomen: in ein physikalisches Phänomen, das zugleich ein Bewußtseinsphänomen darstellt. Wir haben es mit einem Perspektivenwechsel zu tun, der dasselbe Phänomen gleichzeitig als physisch wie als mental auffaßt. Anstatt diese Doppelaspektivität auf ihren Begriff zu bringen, verwechselt Nagel sie mit zwei verschiedenen Tatsachen, die in seiner Buchstabenlogik aufeinander folgen wie Ursache und Wirkung.

Dennoch gibt es Stellen in seinem Buch, die der Plessnerschen Doppelaspektivität genau entsprechen. So betont Nagel, daß man das Bewußtsein nicht einfach als ein „biologisches Phänomen“ behandeln dürfe: „Besonders bei dem Versuch, Bewusstsein als ein biologisches Phänomen zu verstehen, wird allzu leicht vergessen, wie radikal der Unterschied zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven ist, und nur zu leicht wird der Fehler begangen, über das Mentale in Begriffen zu denken, die unseren Ideen von physikalischen Ereignissen und Prozessen entstammen.“ (Nagel 2013, S.182) – Und an anderer Stelle hebt Nagel hervor, daß man menschliche Individuen nicht einfach als „genetische Variationen“ verstehen dürfe, weil es sich dabei um eine „gleichzeitig“ „mentale und physische Variation“ handelt. (Vgl. Nagel 2013, S.80f.) Also auch hier haben wir es bei ein- und derselben Tatsache lediglich mit zwei verschiedenen Perspektiven auf dieselbe Tatsache zu tun.

Dieser Perspektivenwechsel zwischen ‚physisch‘ und ‚mental‘ bzw. zwischen ‚außen‘ und ‚innen‘ hat also für den Menschen eine immens große Bedeutung, auch wenn diese Differenz für eine ‚objektive‘ Wissenschaft nur gering und letztlich bedeutungslos ist. Ungeachtet ihrer mangelnden Quantifizierbarkeit als ‚Tatsache‘ bzw. ‚Datum‘ kommt Nagel zu einer Bewertung dieses Perspektivenwechsels, der ich nur zustimmen kann: „Wir sind große, komplizierte Fälle von etwas, das objektiv physikalisch von außen und subjektiv mental von innen ist. Vielleicht durchdringt die Grundlage für diese Identität die Welt.“ (Nagel 2013, S.65)

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