„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Sonntag, 15. Dezember 2013

Thomas Nagel, Geist und Kosmos. Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist, Berlin 2013

1. These
2. Methode
3. Sprache und Logik
4. Letztbegründungsansprüche
5. Mensch/Welt und Teil/Ganzes
6. Doppelaspektivität
7. Werterealismus
8. Sinn von Sinn

Ich teile nicht nur Nagels Anliegen, die „unqualifizierte Reaktion der Ungläubigen gegenüber der reduktionistischen, neodarwinistischen Erklärung für den Ursprung und die Evolution des Lebens (zu) verteidigen“. (Vgl. Nagel 2013, S.15) Darüber hinaus teile ich auch die mit dieser Verteidigungsmaßnahme implizierte Selbstermächtigung des Amateurs und Autodidakten, der sich mit aus fachlicher Sicht eher minderwertigen Popularisierungen wissenschaftlicher Erkenntnisse begnügt, „die den Nichtspezialisten die zeitgenössische Naturwissenschaft erklär(en).“ (Vgl. Nagel 2013, S.14)

Die Methodik, mit der sich Thomas Nagel als Nicht-Naturwissenschaftler zu naturwissenschaftlichen Fragen äußert, muß nicht notwendigerweise selber eine naturwissenschaftliche sein. Zweifel an ihren Erklärungsansprüchen sind auch jenen erlaubt, die zwar über keine eigene naturwissenschaftliche Expertise verfügen, dafür aber über einen eigenen Verstand. Wer sich dieses Verstandes zu bedienen weiß – Nagel spricht vom „Alltagsverstand“ (Nagel 2013, S.15) oder von der „Autorität der Vernunft“ (Nagel 2013, S.47), vom „Common Sense“ (Nagel 2013, S.48) oder auch vom „gesunden Menschenverstand“ (Nagel 2013, S.183) – hat es nicht nötig, sich von „gängige(n) Orthodoxie(n) zur kosmischen Ordnung“ bevormunden zu lassen. (Vgl. Nagel 2013, S.15)

Diese Selbstermächtigung des Laien ist zutiefst demokratisch und wird von der schlichten „Überzeugung“ getragen, „dass uns die verfügbaren wissenschaftlichen Belege – trotz des bestehenden Konsenses der wissenschaftlichen Meinung – in dieser Angelegenheit vernünftigerweise nicht abverlangen, die Ungläubigkeit des Alltagsverstandes abzuwerten.“ (Vgl. Nagel 2013, S.16) – Dem wäre noch hinzuzufügen, daß man als Laie gut beraten ist, den publizierten Belegen in den Fachjournalen ein gesundes Mißtrauen entgegenzubringen, da in diesen Publikationen, die sich ausschließlich an sogenannte ‚Peers‘ richten, für gewöhnlich weder ein auch die Laien einbeziehendes ausreichendes Verständnis für die Experimentieranordnungen sichergestellt wird noch die Aussagekraft der Forschungsergebnisse hinreichend diskutiert und begrenzt wird. Denn letzteres könnte ja die mögliche Finanzierung künftiger Forschungsvorhaben gefährden.

Letztlich aber ist Nagels laienhafte Selbstermächtigung in einer phänomenologischen Haltung begründet: die eigene Verstandesautonomie hängt an der kognitiven Anerkennung des Offensichtlichen, das durch reduktionistische Erklärungsansätze, die dieses Offensichtliche auf verborgene, kontraintuitive Gesetzmäßigkeiten zurückführen, geleugnet wird. Mit dieser methodischen Leugnung des Offensichtlichen wird unser Selbstvertrauen vollkommen untergraben. (Vgl. Nagel 2013, S.42)

Nagel geht es deshalb nicht um mathematisch begründete, physikalische Evidenzen, sondern um „ein plausibles Bild davon“, „wie wir in die Welt passen“. (Vgl. Nagel 2013, S.42) Es geht darum, einen „Kern kognitiven Vertrauens“ intakt zu erhalten. (Vgl. Nagel 2013, S.46) Nagel scheut nicht davor zurück, „Sympathie“ zu einem Prüfkriterium für die Plausibilität naturwissenschaftlicher Konzeptionen zu erheben: „Das Beste, was wir tun können, ist, auf jedem wichtigen Gebiet so vollständig und sorgfältig wie möglich konkurrierende alternative Konzeptionen zu entwickeln, die sich nach unseren jeweiligen Sympathien richten, und zu prüfen, wie sie gegeneinander abschneiden. Das ist eine glaubwürdigere Form des Fortschritts als der entscheidende Beweis oder die Widerlegung.“ (Nagel 2013, S.181)

Eine naturwissenschaftliche Objektivität, die sich durch Sympathie und Glaubwürdigkeit begrenzen läßt, ist ein interessanter und – wie ich finde – erfreulicher Gedanke. Es entspricht meiner Verhältnisbestimmung von Naivität und Kritik. (Vgl.u.a. meine Posts vom 05.08.2010, vom 17.11. und vom 07.12.2010, vom 01.01. und vom 24.01.2011) Angesichts dessen, „wie wenig wir wirklich von der Welt verstehen“, so Nagel, sollten wir offener sein für das, „was nicht als undenkbar angesehen wird“. (Vgl. Nagel 2013, S.181)

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