„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Samstag, 19. August 2023

Fünf Jahre Friday for Future

Momentan sind sie wieder in den Medien. Fünf Jahre gibt es sie jetzt, die jungen Leute von damals, die heute um die zwanzig sind. Und noch jüngere, Kinder damals, die erstmals für etwas friedlich auf die Straße gingen.

Viel haben sie bewirkt. Sie waren Sympathieträger. Und es ging uns alle an. Es ging um uns und unseren Planeten. Es ging also auch um viel. Es ging um alles.

Wie schauen sie heute zurück, die jungen Menschen, mit ihren Erfahrungen mit der Politik, mit der Gesellschaft? Ich stelle mir vor, daß sie frustriert sind. Denn letztlich haben sie zu wenig erreicht. Die Politiker haben sich von ihnen abgewendet und machen stur und unbelehrbar weiter wie bisher. Trotz Ampel. Trotz Grünen in der Regierung. Die einzige Sorge, die sie kennen, ist das ausbleibende Wirtschaftswachstum.

Inzwischen gibt es die Letzte Generation. Sie ist nicht mehr so brav wie die Aktivistinnen und Aktivisten von Friday for Future. Sie ist unbequem. Denn sie sind tatsächlich frustriert, haben aber noch nicht die Hoffnung aufgegeben. Und weil sie unbequem geworden sind, wird ihnen nun die Schuld gegeben für die wachsende gesellschaftliche Ablehnung klimapolitischer Maßnahmen. Und mit ihnen auch den Aktivistinnen und Aktivisten von Friday for Future.

Verkehrte Welt: schuld sind nicht die verzweifelten Mahner! Schuld ist jede und jeder von uns, eine Gesellschaft, die um ihre Pfründe besorgt ist, um ihren Wohlstand, und nicht einsehen will, daß genau dieser Wohlstand schuld ist am ausgeplünderten Planeten, am Klimawandel. Jede und jeder Einzelne, der in Regionen fliegt, wo die Wälder brennen, um dort Urlaub zu machen, ist schuld.

Letztes Jahr in der Talkshow von „Markus Lanz“ und dann nochmal im Podcast „Lanz & Precht“ war Reinhold Messner zu Gast. Auf die Frage nach den Flugreisen in die verschiedenen Berg- und Eiswildnisse, in denen Messner die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit erkundete, geriet der Ruhe und Weisheit ausstrahlende ehemalige Abenteurer plötzlich in Rage. Aufgebracht wies er jede Mitschuld am Klimadesaster von sich. Niemand, so Messner mit erhöhter Stimme, habe in den 1970er und 1980er Jahren etwas vom Klimawandel wissen können. Niemand könne seine Generation dafür verantwortlich machen.

Als ich 1980 vom Zivildienst ins Germanistikstudium wechselte, war für mich alles klar gewesen. Damals war das Waldsterben in aller Munde. Mir war bewußt, daß ich wahrscheinlich zur letzten Generation gehörte, die noch von einer Wirtschaftsform profitieren würde, die die Hauptursache für das kommende Desaster war. Messners Empörung vor Augen hatte ich das Gefühl eines Dejavus. Dies war nicht das erste Mal, daß in Deutschland eine Generation nicht Schuld gewesen sein will; nicht verantwortlich sein will für irgendwas.

Ich stelle mir vor, wie froh wiedermal alle sind, nicht selbst schuld sein zu brauchen, sondern das ganze Desaster der Letzten Generation aufbürden zu können; der letzten Generation auch, bei der diese Sündenbockpraxis noch Sinn macht. Nicht lange und es wird kein Hahn mehr danach krähen, wer wie wofür verantwortlich gemacht werden kann. Dann geht es nur noch ums Überleben.

Das Zeitfenster für die 1,5 Grad hat sich schon geschlossen. Wir alle fahren unseren Planeten an die Wand.

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