„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Montag, 25. Juli 2022

Weltsprache Kunst

Crista Sütterlin/Irenäus Eibl-Eibesfeld, Weltsprache Kunst: zur Natur- und Kunstgeschichte bildlicher Kommunikation“ (2007)

Im Untertitel des Buches steckt schon die Erklärung für die doppelte Autorenschaft von Christa Sütterlin, Kunstgeschichtlerin und Philosophin, und von Irenäus Eibl-Eibesfeld, Verhaltensforscher und Biologe. Die Autorin (cs) und der Autor (iee) repräsentieren die zentralen zwei Entwicklungsebenen, Kultur und Biologie, aus denen sie die Kunst konvergieren lassen, die wiederum eine dritte Entwicklungsebene impliziert: die Künstlerin, den Künstler als Individuen. In der Ausführung dieses Grundgedankens hat aber der Ethologe Eibl-Eibesfeld, der die biologische Entwicklungsebene vertritt, aus meiner Sicht nur wenig Relevantes zum gemeinsamen Thema beizutragen. Sein Beitrag beschränkt sich auf die biologisch evolvierten Instrumente, deren sich die Künstler bedienen, um Kunstwerke zu erschaffen, mit denen sie die Aufmerksamkeit des Publikums erregen, die dann aber weit über alle biologischen Beschränkungen unserer Wahrnehmungsphysiologie und Aufmerksamkeitsroutinen hinaus in Bewußtseinsdimensionen vordringen, die überhaupt erst dazu berechtigen, im emphatischen Sinne von Kunst zu reden. Und an dieser Stelle beginnt der Beitrag von Christa Sütterlin, die die Hauptverantwortung für den eigentlichen kunstgeschichtlichen Hauptteil des Buches trägt.

Mit anderen Worten, wenn es um Kunst geht, hat Christa Sütterlin das Wort. Wenn es um die genetischen und neurophysiologischen Basics geht, hat Eibl-Eibesfeld das Wort. Da es aber eben um Kunst geht – auch wenn der Fokus auf der ‚Kommunikation‘ liegt; ein vieldeutiger, schillernder Begriff –, hat er letztlich nicht viel zu sagen. In meinen Augen ist er als Biologe bei diesem Thema nicht auf Augenhöhe mit der Kunstgeschichtlerin; auch wenn ich sonst immer sehr für Interdisziplinarität bin.

Sicher ist Kunst auch Kommunikation, also Sprache. Aber Kunst ist eben keine Maschinenkommunikation, was weite Teile der naturgeschichtlichen Exkurse nahelegen. Eibl-Eibesfelds Autorität als Biologe führt hier zu beinahe unvermeidlichen Mißverständnissen. Die Kunst ist keine Form der Informationsverarbeitung. Nicht einmal teilweise oder in gewisser Weise. ‚Sprache‘ bildet deshalb auch keine Brücke zwischen Biologie und Kultur, sondern sie ist eine Bewußtseinsleistung, die zur zweiten (Kultur) und dritten (Individuen) Entwicklungsebene gehört; also zur Expertise von Christa Sütterlin.

In der nächsten Zeit werde ich meine Lektüreeindrücke von dem schweren Katalog, gut und gern zwei Ziegelsteine schwer, wie ich in einem früheren Blogpost schätzte, posten. Dabei wird es um den Zeichenbegriff gehen, den cs/iee ihrem Buch zugrundelegen, um die Begriffe der Gestaltwahrnehmung und der Informationsverarbeitung, um das Schöne und um die Rolle, die die beiden dem Individuum in der Kunstgeschichte zuweisen. Ich äußere mich als Laie und erhebe keinerlei Anspruch auf irgendeine Autorität mit Ausnahme derjenigen meiner subjektiven Perspektive.

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