„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Dienstag, 10. Dezember 2024

Ein Wort zum Advent ...

... erlaube ich mir. Es beginnt mit einem Geständnis: als ich von den wirklich historischen Ereignissen in Syrien hörte, war die erste Reaktion Freude, Erleichterung und Hoffnung, daß es den Menschen dort ohne Assad jetzt besser gehen wird.

Die zweite Reaktion war: endlich können die syrischen Flüchtlinge wieder nach Hause.
Ich weiß nicht so recht, warum ich das gedacht habe. Warum sollten sie zurückgehen? Warum wünsche ich mir überhaupt irgendetwas, das nur die Syrerinnen und Syrer betrifft? Die zweite Reaktion vergiftete die erste.

Als dann Politiker wie Jens Spahn (CDU) und Markus Söder (CSU), von anderen schweige ich lieber, anfingen, das deutsche Volk mit ihren populistischen Sprüchen zur baldigen Rückkehr der Syrerinnen und Syrer nach Syrien zu beglücken, und als die Einwanderungsbehörden verkündeten, die Asylanträge von Syrerinnen und Syrern ,auf Eis‛ zu legen, weil die ,Entscheidungsbasis‛ nicht mehr ,gegeben‛ sei, und als kurz darauf die Nachbarländer, Dänemark, Österreich u.a., dem deutschen Beispiel folgten ‒ da hatte ich schon längst begonnen, mich zunächst für mich selbst und dann für all die anderen fremd zu schämen.

Wie war das noch mit Betlehem? Waren die Eltern von Jesus nicht auch Flüchtlinge gewesen? Waren sie nicht von all den wenig gastlichen Herbergen abgewiesen worden? Sind Spahn oder Söder, Mitglieder einer christlichen Partei, eigentlich Christen?

Für mich selbst kann ich letzteres verneinen. Trotzdem schäme ich mich.

2 Kommentare:

  1. Im Fernsehen/Morgenmagazin (heute, 11.12.2024) waren etliche Syrer zu sehen. Grundtenor: einige/viele werden zurück kehren. Einige/viele werden bleiben. So sind sie, die Syrer. So sind sie, die Menschen.
    Wir haben hier in Meschede einen syrischen/kurdischen Laden. Er fällt erstmal nicht auf, ist aber fast direkt neben meinem Praxiseigang. Es ist ein langer Laden, der oh Wunder, am Ende noch eine kleine Metzgerei/Theke mit Frischfleisch (Geflügel, Schaaf/Lamm) enthält. Gute Qualität. Auch Innereien bekomme ich hier, die bestimmte Soßen einfach schmackhafter machen und Gewürze.
    Vorne im Laden gibt es schönes frisches Gemüse, das übliche und Granatäpfel, Minze, Obst.
    Die Behandlung als Kunde empfinde ich als sehr reserviert. Erst nach dem ich des öfteren eingekauft habe und fast immer was in die Spendendose für Sozialprojekte getan habe, bekomme ich hin und wieder ein Lächlen. (Im türkischen Laden zwischen Kino und Commerzbank werde ich richtig freundlich behandelt. Mit Lächeln im Übermaß, was für mich zu einem schönen Einkaufsgefühl führt.)
    Im Kurdisch-Sytischen Laden kaufen hauptsächlich Syrer ein. Syrer kaufen bei Syrern.
    Und als Assad politisch tot war, war in dem Laden und davor eine lebendige Freude zu spüren. Sie war nicht völlig frei, aber sie war gelöst. Eine Vorstufe zur Heiterkeit.
    Der Hintereingang führt zur Seitenstraße, Alte Henne. Vor dem Hintereingang parkt dann immer ein etwas sperriger weißer Lieferwagen. Neulich hatte er die Seitentür zum Laden geöffnet und es waren Papageien in zwei großen Käfigen zu sehen. Bunt. Einfach schön. Ich durfte auf Nachfrage auch ein Foto machen. Alles etwas schräg.
    Papageien beim Metzger, Meschede 2024. Alles friedlich.

    Zu Deinem Beitrag: ehrlich, offen. Für mich ist Deine Scham ein gutes Zeichen für Mit-Gefühl. Und den Unmut über die genannten Politiker kann ich gut nachvollziehen. Hilft mir aber nicht weiter. Mit dem Jens Spahn werden wir noch "Freude" haben.
    Und ja, lieber Detlef, Du hast Recht: Betlehem ist überall!
    Über geistige Obdachlosigkeit reden/schreiben wir dann ein andermal. Lieben Gruß von Michael aus Meschede im schönen Sauerland.

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  2. Ich freue mich auf das "andermal"!
    Liebe Grüße,
    Detlef

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