- Einseitig fundierte Wechselseitigkeit der Soziogenese und der Ontogenese?
- Inter-Subjektivität als Inter-Faktizität
- Pädagogischer Sinn und Verantwortung
- Naturalisierung des Sinns
- Differenz von Sagen und Meinen in der Theorie und in der Kommunikation
- Differenz von Gemeinschaft und Gesellschaft
- Grenzen der Lebenswelt: Krankheit und Krise
- Ambiguität von Häresie und Affirmation
- Phänomenologie als Ontologie
Dem kann man nur hinzufügen: Merleau-Pontys Sorge war berechtigt, und die damit verbundenen Skrupel ehren ihn. Auch Meyer-Drawe selbst teilt insgeheim diese Sorge, wenn sie immer wieder eigens darauf verweist, daß es mit der Inter-Subjektivität nicht um eine „kollektivistische Tilgung“ von Subjektivität gehen könne (vgl. Meyer-Drawe 1984, S.11), oder wenn sie von der „unaufhebbare(n) ‚Wahrheit des Solipsismus‘“ spricht, denn in allen „verstehenden Akten“ „bleibe ich es doch, der diese Akte vollzieht“ (vgl. Meyer-Drawe 1984, S.152). Meyer-Drawe zögert auch nicht, dort, wo sie eine entsprechende Vernachlässigung der individuellen Perspektive erkennt, Einspruch gegen die Stilisierung von Sozialität zu einem „Superindividuum“ zu erheben. (Vgl. Meyer-Drawe 1984, S.28)
Dennoch hat sie keine Probleme damit, Waldenfelsens Vorgehen beim Zuendedenken des Merleau-Pontyschen Ansatzes voll und ganz zu unterstützen. Leitmotiv dieser Aufwertung des leiblichen Irrationalismus bildet dabei die schon erwähnte „Dezentralisierung und Depersonalisierung des Bewußtseins“. (Vgl. Meyer-Drawe 1984, S.142) Diese Dezentralisierung und Depersonalisierung tauchen in vielen begrifflichen Kombinationen immer wieder auf, z.B. in Form einer „dezentralisierte(n) Subjektivität“ als einer „dem Subjekt inhärente(n) Sozialität“ (vgl. Meyer-Drawe 1984, S.12), oder in Form einer „dezentralisierte(n) ‚zwischenmenschliche(n) Interaktion‘ als Konstituens sozialen Sinns“ (vgl. Meyer-Drawe 1984, S.25), oder in Form einer „dezentralisierten, non-egologischen Subjektivität und Sozialität“ (vgl. Meyer-Drawe 1984, S.28) usw.
Der Irrationalismus, der sich in dieser Abwendung vom subjektiven Bewußtsein äußert, wäre mir zu einem früheren Zeitpunkt sogar sympathisch gewesen, weil ich schon immer ein ausgeprägtes Mißtrauen gegen die von sich selbst eingenommene wissenschaftliche Rationalität hatte, die glaubte, sich im Dienste objektiver Forschung vom Alltagsgrund der Lebenswelt einseitig abtrennen zu können. Aber inzwischen habe ich lernen müssen, daß auch die Naturwissenschaft das Irrationale als Naturphänomen des Erforschens für wert erachtet. Gemeint ist die Entdeckung des Schwarmphänomens und seine Klassifizierung als eine bewußtseinsfremde Intelligenzform, die natürlich wiederum geradezu dazu einlädt, entsprechende Rückschlüsse auf die menschliche ‚Intelligenz‘ zu ziehen.
Es ist nicht schwer, die Ähnlichkeiten und Analogien in der Begriffsbildung und in den Beschreibungsformen von Inter-Subjektivität zum Schwarmverhalten von Fischen, Vögeln und Boids zu erkennen. Eine an Merleau-Ponty anschließende Phänomenologie sollte mehr denn je darauf achten, nicht in diese Falle des Naturalismus zu tappen. Denn Sinn ist immer noch und allererst ein Bewußtseinsphänomen und emergiert weder aus materiellen Prozessen noch aus Massenphänomenen. Eine der wichtigsten Fragen, der sich eine Phänomenologie der Inter-Subjektivität stellen sollte, wäre deshalb die nach der Differenz zwischen inhärenter Sozialität und Masse.
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