„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Samstag, 19. Februar 2022

Mut und Demut

Kant fordert zum autonomen Verstandesgebrauch auf, und dazu gehört Mut. Kant geht also davon aus, daß Denken Mut erfordert. Man könnte vermuten, es ginge vor allem darum, sich im Denken gegen äußere Autoritäten durchzusetzen, in welcher Gestalt auch immer, deren einziges Interesse darin besteht, uns daran zu hindern, uns für unsere eigenen Interessen einzusetzen.

Aber der vielleicht noch größere Mut besteht darin, uns gegenüber unseren eigenen, inneren Autoritäten zu behaupten; gegenüber all den Konventionen und scheinbaren Bedürfnissen, die uns daran hindern, zu erkennen, was wir wirklich wollen. Denn wir wollen immer vieles und vielerlei und durchschauen dabei nur selten, was davon wirklich wichtig ist; was das tiefste Begehren ist, das aus uns selbst emporsteigt. Und vor dem wir uns fürchten, weil es den Einsatz unseres Lebens wert ist; unsere ganze Hingabe; uns selbst.

Denn was ist ‚Mut‘? Er ist ein Begehren, ein Streben, das an einem Ziel festhält, ohne sich von Launen und Stimmungen irritieren zu lassen. Er hält an seinem Willen fest, ohne sich den schwankenden, wechselnden und immer auch bedrohlichen Umständen auszuliefern.

Aber Mut ist nicht zu verwechseln mit Gedankenlosigkeit, Unerbittlichkeit und Maßlosigkeit. Ohne Denken gibt es keinen Mut, so wie es ohne Mut kein Denken gibt. Ohne diese beiden verliert unser Wollen sein Maß und wird zur Gier. Gier ist geil. Gier ist maßlos.

Mut aber ist nicht geil. Er setzt unserem Wollen ein Maß; ein Maß, das der Wille in seinem Gegenstand findet, auf den er sich richtet. Um dieses Maßes willen, müssen wir mutig bedenken, was wir wollen. Denn es erfordert Mut, sich selbst Grenzen zu ziehen, das Maß zu erkennen und unseren Willen sich bescheiden zu lassen, so daß wir dem, was wir wollen, sein eigenes Recht lassen können. Es ist der Mut zu denken, der uns dazu verhilft, das, was wir wollen, loszulassen; darauf zu verzichten, es zu besitzen.

Das ist Demut.

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