„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Donnerstag, 5. April 2018

Das Licht des Glaubens

1. Glaube als Argumentationsmodus
2. Glaube als Vernunft
3. Glaube als Sinnesorgan
4. Glaube als Kommunikationsform: persönliches Angesprochensein
5. Glaube als Kommunikationsform: Vermittlung
6. Glaube als Kommunikationsform: Nächstenliebe
7. Glaube als Unterwerfung
8. Glaube als Unglaube
9. Glaube als Reinheit

Während die Kommunikationsform der persönlichen Anrede den Glauben als eine mystische Liebesbeziehung darstellt, die keines Umwegs über ein anderes Du oder ein gemeinschaftliches Wir bedarf, sieht das bei der Kommunikationsform als Vermittlung ganz anders aus. Als Kommunikationsform schwankt sie zwischen Exklusivität und Inklusivität. ‚Wir‘ sind alle diejenigen, die dazugehören. Die, die dazugehören, müssen nicht unbedingt wollen, daß auch die, die nicht dazu gehören, dazugehören sollten. Sie können allerdings auch ganz wild darauf sein, möglichst alle miteinzubeziehen, daß auch bloß keiner außen vor bleibt.

Was aber ganz und gar nicht geht, ist, daß sich innerhalb der Gemeinschaft Einzelne absondern, so, als könnten sie ganz gut auf diese Gemeinschaft verzichten. In dem Buch „Monotheismus und die Sprache der Gewalt“ (2006) zeigt Jan Assmann, wie sich gerade die Liebesrhetorik vom „eifersüchtigen Gott“ am grausamsten gegen die zur eigenen Gemeinschaft gehörenden Gläubigen richtet. Und im Dienste dieses eifersüchtigen Gottes stehen gerade die großen Mittlerfiguren wie z.B. Moses (vgl.Nr.14), der, als er vom Berg Sinai herabkam und sah, wie die Israeliten um ein goldenes Kalb herumtanzten, jeden von ihnen töten sollte. Nur ein Stellvertretermord an einem mit einer Andersgläubigen verheirateten Israeliten konnte diesen Massenmord verhindern. (Vgl. Assmann 2006, S.34f.)

Das ist der Glaube, der der ‚Vermittlung‘ bedarf, d.h. der Autoritäten, die in einer besonderen Beziehung zu Gott stehen. In lumen fidei werden hier vor allem Moses, Jesus und Petrus genannt. Wobei Jesus wiederum eine besondere Mittlerfunktion innehat, da er als Sohn Gottes besonders kompetent darin ist, uns Gott zu erklären. (Vgl.Nr.18)

In lumen fidei wird nun ungeachtet dessen, was in der Enzyklika sonst noch über den Glauben als persönliche Anrede durch Gott zu lesen ist, kein Zweifel daran lassen, daß der eigentliche, echte Glaube immer nur ein Glaube in der Gemeinschaft der Gläubigen sein kann, also innerhalb der Autorität der Kirche:
„Es ist unmöglich, allein zu glauben. Der Glaube ist nicht bloß eine individuelle Option, die im Innersten des Glaubenden geschieht, er ist keine isolierte Beziehung zwischen dem ‚Ich‘ des Gläubigen und dem göttlichen ‚Du‘, zwischen dem autonomen Subjekt und Gott.“ (Nr.39)
‚Vermittlung‘ meint also nicht nur, daß es einzelne Autoritäten gibt, die besonders „kundig“ und „glaubwürdig“ sind „in den Dingen Gottes“. (Vgl.Nr.18) Sie meint auch, daß der Glaube aller Gläubigen über das „Lehramt“ (Nr.36) der Kirche, als dem eigentlichen „glaubenden Subjekt“ (ebenda) mit dem Papst an der Spitze, vermittelt ist. Die Gläubigen sind nach dem „Bild des Leibes“ (Nr.22) ein Leib. (Vgl.Nr.48)

Vermittlung bedeutet also „Gleichgestaltung“ (Nr.21), wobei es einem schwerfällt, den Gleichklang dieses Wortes mit ‚Gleichschaltung‘ zu ignorieren. Es geht darum, nicht mit den eigenen Augen zu sehen und nicht mit dem eigenen Verstand zu denken, sondern die Gläubigen sollen „mit den Augen Jesu sehen, seine Gesinnung haben, seine Kind-Vater-Beziehung teilen“ (ebenda), wobei die Augen Jesu natürlich inzwischen zu den Augen der Kirche geworden sind und seine ‚Gesinnung‘ – hatte Jesus eine Gesinnung? – zur Gesinnung der Kirche, und an die Stelle der Beziehung des Kindes zum Vater ist längst die des Gläubigen zur Kirche getreten. Alles das wird als „Liebe“ bezeichnet, als „Fähigkeit“, „an der Sicht des anderen teilzuhaben“. (Vgl.Nr.14)

Dieser vermittelte Glaube ist zugleich ein vermittelnder Glaube. Er meint kein exklusives, sondern ein inklusives „Wir“: „Der Glaube ist keine Privatsache, keine individualistische Auffassung, keine subjektive Meinung, sondern er geht aus einem Hören hervor und ist dazu bestimmt, sich auszudrücken und Verkündigung zu werden.“ (Nr.22) – Aus diesem Hören geht also keine persönliche Antwort auf das von Gott kommende Du hervor (vgl.Nr.8), sondern ein allgemeines Werben und Missionieren.

Von Nächstenliebe ist hier nirgends die Rede. Der Mittler richtet sich nicht an den Nächsten, es sei denn, um ihn für den wahren Glauben zu gewinnen. Und auch der Gläubige richtet seine ganze Aufmerksamkeit nur auf den Mittler. Daß er dieses Mittlers aber eigentlich gar nicht bedarf, dafür steht die Nächstenliebe. Denn der Nächste ist derjenige, dessen Gesinnung wir nicht kennen müssen, um unser Nächster zu sein.

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