„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Sonntag, 12. Februar 2012

Transparenz versus Wahrnehmung?

Thomas Metzinger, Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität: Eine Kurzdarstellung in sechs Schritten (http://www.ifzn.uni-mainz.de/Metzinger.pdf)

1.    Der Mensch als informationsverarbeitendes System
2.    Transparenz und Wahrnehmungsglaube
3.    Was heißt ‚interne Quellen‛?
4.    Differenz von Vollzug und Reflexion (Naivität und Kritik)
5.    Selbstbewußtsein als „Interface“
6.    Narrativität und Rekursivität

Auf die Narrativität bin ich in diesem Blog ebenfalls schon so oft eingegangen, daß ich hier auf keine bestimmten Posts verweisen möchte. Von der Rekursivität war erstmals in einem Post vom 25.04.2010 zu Tomasello die Rede gewesen. In einem weiteren Post zu Tomasello bin ich dann auch im Zusammenhang mit dem Problem der Referentenverfolgung auf die narrative Komponente in der menschlichen Kommunikation zu sprechen gekommen. (Vgl. meinen Post vom 27.04.2010)

Man könnte sagen, daß Rekursivität und Narrativität folgendermaßen zusammengehören: Bei der Rekursivität geht es darum, daß Menschen voneinander wechselseitig Vermutungen über den Geisteszustand ihres jeweiligen Gegenübers haben, über seine Intentionen, über seine Gefühle und über sein Wissen. Diese Vermutungen können sich über mehrere Metaebenen erstrecken. Diese rekursive Ordnung von Metaebenen des „ich weiß, daß du weißt, daß ich weiß, daß du weißt ...“ kann nun auf einen bestimmten Gegenstand fokussiert werden. Die Gesprächspartner können sich z.B. darauf einigen, was sie gemeinsam zu tun beabsichtigen. Je komplexer die Zusammenhänge sind, in die die Gesprächspartner und ihr gemeinsamer Gegenstand eingebettet sind, um so komplexer sind auch die Metaebenen rekursiv verschachtelt. Um da den gemeinsamen Gegenstand nicht aus den Augen zu verlieren, bedarf es Tomasello zufolge einer extravaganten Syntax, sprich: einer narrativen Struktur, die dabei hilft, den Gegenstand im Auge zu behalten bzw. den ‚Referenten‘ zu ‚verfolgen‘.

Metaebenen lassen sich eben nicht beliebig oft hintereinander fügen, maximal bis zur vierten oder fünften Ebene. (Vgl. meinen Post vom 25.07.2011) Wenn es komplizierter wird, brauchen wir eine haltgebende narrative Struktur.

Nun spricht Metzinger davon, daß der „bewusste Mensch ... ein System (ist), das bei einzelnen repräsentationalen Akten die Repräsentationsbeziehung selbst noch einmal ko-repräsentieren kann. Der Inhalt höherstufiger Formen des Selbstbewusstseins ist immer eine Relation: das Selbst im Moment des Erkennens ..., das Selbst im Akt des Handelns.“ (S.25f.) – Der Mensch hat also für sich selbst und zu sich selbst, als Selbstbewußtsein, eine rekursive Struktur. Er kann seine Repräsentationsbeziehung selbst noch einmal ko-repräsentieren, was nichts anderes heißt, als daß er sich seines eigenen Wissens und seiner eigenen Intentionen auf einer höheren Ebene, eben der des Selbstbewußtseins, noch einmal bewußt sein kann: ich weiß, daß ich weiß, was ich tue. Oder bezogen auf die im Post vom 10.02.2012 angesprochenen Meta-Informationen zum Realitätsgehalt bestimmter Informationen: ich weiß, daß ich nicht weiß, was ich gerade sehe.

Um hier nicht in einer Unendlichkeit der rekursiven Selbstprojektion abzustürzen, bedarf es wiederum einer haltgebenden narrativen Struktur. Das Zentrum dieser narrativen Struktur bildet das „virtuelle Selbst“, das wir in unseren Selbstprojektionen gewissermaßen ‚verfolgen‘. Das virtuelle Selbst bildet Metzinger zufolge „eine funktional adäquate Konfabulation“, die die Ebenen des Erkennens und Handelns zusammenhält. (Vgl.S.26)

An dieser Stelle finde ich nun tatsächlich keinen Unterschied zu meinem eigenen Bewußtseinskonzept. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob meine Interpretation der entsprechenden Textstellen bei Metzinger wirklich den Intentionen des Autors entspricht. In diesem Sinne: ich weiß nicht, ob Metzinger das weiß, von dem ich glaube, daß er es weiß.

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