„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Mittwoch, 6. Juni 2012

Michael Tomasello, Warum wir kooperieren, Berlin 2010 (2008)

(I: Warum wir kooperieren; 1. Zum Helfen geboren (und erzogen) (S.19-48); 2. Von sozialer Interaktion zu sozialen Institutionen (S.49-81; 3. wo sich Biologie und Kultur treffen (S.82) // II: Forum; Joan B. Silk (S.87-94); Carol S. Dweck (S.95-101); Brian Skyrms (S.102-107); Elizabeth S. Spelke (S.108-123))

1. Methode
2. Rekursivität und institutionelle Realitäten
3. Rekursivität und Roboter
4. Mutualität versus Altruismus?

Tomasellos Buch „Warum wir kooperieren“, das im Mittelpunkt dieser vier Posts steht, ist aus einer Vorlesung an der Stanford University (Kalifornien) hervorgegangen. In einem Forum sind dem überarbeiteten Vorlesungstext vier Kommentare von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen der Psychologie, Philosophie und der Anthropologie beigefügt. Insgesamt bietet Tomasellos Vorlesung einen guten Überblick über Tomasellos Arbeit, der allerdings aufgrund der geringen Seitenzahl (ca. achtzig Seiten) sehr an der Überfläche bleibt und die Akzente mehr auf die „kulturelle Intelligenz“ (S.13) und die soziale Realität legt als auf die individuelle Intelligenz. Verbunden mit der These, daß in den sozialen Fähigkeiten und Motivationen die eigentliche Differenz zwischen Mensch und Tier (Menschenaffen, insbesondere Schimpansen) liegt, wird hier im Unterschied zu Tomasellos Buch „Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens“ (1999) das spannungsvolle Verhältnis zwischen individueller und kultureller bzw. sozialer Intelligenz nivelliert. (Vgl. den zweiten meiner beiden Posts vom 24.05.2011)

Gerade mit Blick auf Frans de Waals „Das Prinzip Empathie“ (2009/2011) fällt an Tomasellos etwa zeitgleich erschienenem „Warum wir kooperieren“ (2008/2010) noch einmal der Unterschied in der Methode auf. (Vgl. meinen Post vom 15.05.2011) Frans de Waal betreibt vor allem Feldstudien, die sich nicht so gut kontrollieren lassen wie Laborstudien, weil er glaubt, daß die Schimpansen sich unter Artgenossen unbefangener und deshalb auch ‚intelligenter‘ und ‚kommunikativer‘ verhalten als unter Menschen. Im ‚Feld‘ zustandegekommene Beobachtungen sind auch oft singulär und lassen sich nicht wiederholen. Hinzu kommt de Waals eifriges Sammeln von Anekdoten, die oft auf ‚Hörensagen‘ beruhen; d.h. daß Anekdoten, wenn überhaupt, oft erst über mehrere Ecken auf einen ‚Zeugen‘ zurückgeführt werden können.

Ganz anders Tomasello und Kollegen: gerade an den in diesem schmalen Buch versammelten Texten fällt auf, wie sehr alle Autoren darum bemüht sind, auf die Wissenschaftlichkeit ihrer eigenen Studien oder der Studien ihrer Fachkollegen zu verweisen. Jede einzelne Geste, jedes Verhaltensmoment eines Kleinkindes oder Schimpansen wird auf seine Zufälligkeit und auf seine Gesetzmäßigkeit hin peinlich genau geprüft. Introspektionen in die eigenen subjektiven Befindlichkeiten kommen so gut wie gar nicht vor. Immer geht es nur um empirisch beobachtbares und belegtes Verhalten, über dessen innere Motive niemals leichtfertig gemutmaßt wird, so naheliegend diese Mutmaßungen auch zu sein scheinen.

Dieses Vorgehen hat durchaus seine guten Gründe, was vor allem bei Tomasello deutlich wird. Tomasello ist wirklich ein Meister darin, scheinbar naheliegende Interpretationen des Verhaltens von Schimpansen in Frage zu stellen. So beschreiben z.B. de Waal wie auch Tomasello das Verhalten von Schimpansen beim Verteilen von Futter. Wenn ein Schimpanse z.B. Weintrauben erhält, ein anderer aber nur Gurkenscheiben, wirft dieser seine Gurkenscheiben weg, weil er es als ‚unfair‘ empfindet, daß er nicht auch die viel leckereren Weintrauben bekommt. Tomasello hinterfragt nun diese soziale Auslegung des Schimpansenverhaltens. (Vgl. Tomasello 2010, S.38) In einem Kontrollversuch, in dem ein Schimpanse allein ist und eine Gurkenscheibe angeboten bekommt, nimmt er diese zunächst an. Sobald ihm aber eine Weintraube gezeigt wird, legt er die Gurkenscheibe sofort zur Seite und will die Weintraube haben. Er lehnt also die Gurkenscheibe nicht ab, weil er auf einen anderen Schimpansen eifersüchtig ist, sondern weil er einfach nur die leckere Weintraube will. Es liegt demnach Tomasello zufolge kein sozialer Vergleich und damit auch kein Gerechtigkeitsempfinden vor, wie es de Waal nahelegt.

Dieses Infragestellen von scheinbar plausiblen Annahmen hinsichtlich der Motive von Schimpansen und die damit verbundenen Kontrollversuche sind also durchaus eine Stärke von Laborstudien, und gerade Tomasello geht dabei bewundernswert subtil vor. Dennoch kann de Waal auf Beobachtungen verweisen, die sich nicht so leicht entkräften lassen. Eine Bonobofrau – de Waal spricht nie von ‚Männchen‘ oder ‚Weibchen‘, sondern immer von Männern und Frauen –, die Weintrauben bekam, während die anderen Bonobos nur Gurkenscheiben erhielten, weigerte sich, ihre Weintrauben anzunehmen; möglicherweise aus der berechtigten Sorge, die anderen Bonobos könnten ihr die bevorzugte Nahrungszuweisung übelnehmen und es ihr hinterher heimzahlen. (Vgl. de Waal 2011, S.246) Die Motive der Schimpansen im sozialen Verband sind also wohl doch auch bei Schimpansen anders gelagert als die ihrem unbeobachteten individuellen Verhalten zugrundeliegenden Motive, so daß Tomasellos Darstellung ihrer auf Weintrauben gerichteten Motive als auch in sozialen Zusammenhängen ausschließlich individuell bestimmt zu kurz greift.

Ungeachtet dessen, wer bei der Beurteilung des Gerechtigkeitsempfindens von Schimpansen Recht behält, fällt hier auf, daß de Waal seine Schimpansen viel mehr versteht als Tomasello und seine Kollegen. Er versteht sie auf der Basis der Empathie: das Verhalten der Schimpansen entspricht seinen Gefühlen, wenn er selbst solches Verhalten an den Tag legen würde. Die Schimpansen sind für de Waal kein Rätsel, weil er sich selbst kein Rätsel ist. Tomasello und Kollegen hingegen verbieten sich diese Empathie. Sie partizipieren an einer wissenschaftlichen Tradition, die Meyer-Drawe zufolge dazu geführt hat, daß wir uns in unseren ureigensten Gewißheiten zweifelhaft geworden sind. (Vgl. meinen Post vom 19.05.2012) Wir verstehen unser eigenes Denken nicht mehr. Wie sollten wir da das ‚Denken‘ der Schimpansen verstehen? Wir müssen es allererst in seine kleinsten Bestandteile zerlegen, bevor wir es uns erlauben dürfen, Schlüsse über ihr ‚Bewußtsein‘ zu ziehen.

Ein Beispiel für diese Haltung liefert Elizabeth S. Spelke, eine der Kommentatorinnen im Forum des Buches (vgl. Tomasello 2010, S.108-123): „Um kognitive Prozesse verstehen zu können, müssen wir sie in ihre Bestandteile zerlegen; hochkomplexe Fähigkeiten in Einheiten unterteilen, deren Eigenschaften und Zusammenspiel beschrieben und kontrolliert beeinflußt werden können.“ (Tomasello 2010, S.110) – Mit Hilfe dieses analytischen Verfahrens kommt Spelke zu insgesamt fünf „kognitiven Systemen“, die zusammen das „Kernwissen“ des Menschen ergeben: „Dazu gehören Systeme zur Abbildung und zum Verständnis von (1) unbelebten, materiellen Objekten und ihren Bewegungen, (2) intentionalen Akteuren und ihren zielgerichteten Handlungen, (3) Orten im navigierbaren Raum und ihre geometrischen Beziehungen zueinander, (4) Serien von Objekten oder Ereignissen und ihre numerischen Beziehungen bei Reihungs- und Rechenvorgängen und (5) sozialen Partnern, die mit dem Kleinkind interagieren. Jedes dieser kognitiven Systeme taucht in der frühen Kindheit auf (in einigen Fällen schon mit der Geburt) und bleibt mit dem Heranwachsen des Kindes fast unverändert bestehen.“ (Tomasello 2010, S.113)

Spelke unterläßt es bei dieser Aufzählung, darauf hinzuweisen, daß drei dieser zum Kernwissen gehörenden kognitiven Kernkompetenzen Momente der Gestaltwahrnehmung sind (1, 3 und 4) und die beiden anderen Kernkompetenzen von Tomasello als geteilte Intentionalität (2) und Rekursivität (5) beschrieben werden. Nach dieser säuberlichen Zerlegung des Kernwissens in kognitive Kompetenzen hat Spelke nun ein Problem: wie lassen sie sich wieder zu einem einheitlichen Bewußtsein zusammenfügen? (Vgl. Tomasello 2010, S.116f.) – Bei Menschenaffen und Kleinkindern fungieren sie getrennt voneinander. Erst ab ihrem zweiten Lebensjahr können Kinder ihre Kernkompetenzen produktiv in einem Kernwissen integrieren.

Nebenbei: das beinhaltet eine interessante Beobachtung, die wir schon von Plessner kennen. (Vgl. meinen Post vom 21.10.2010) Schimpansen können Objekte nicht so wie Menschen als individuelle Gestalten von ihrem Hintergrund abheben. Nur frei im Raum stehende Kisten können sie in ihrer Wahrnehmung als einzelne, freibewegliche Dinge isolieren. Sobald sie lückenlos an einer Wand stehen, verschmelzen sie mit dieser Wand und werden nicht mehr als individuelles Ding wahrgenommen. (Interessant ist dabei übrigens auch, daß die Kisten in der Wahrnehmung zwar mit der Wand verschmelzen, aber nicht mit dem Fußboden.) Plessner spricht deshalb bei Schimpansen von einer „komplexqualitativen“ Wahrnehmung. Ganz ähnlich verweist Spelke auf die Unfähigkeit von Kleinkindern, Gegenstände noch einmal in verschiedene Einzelgegenstände zu zerlegen, also z.B. Türgriffe von Türen zu unterscheiden, oder die Bauklötzchen zu erkennen, aus denen Bauklötzchentürme zusammengesetzt sind: „Kleinkinder jedoch repräsentieren nur diejenigen Einheiten, die innerlich kohäsiv und einzeln beweglich sind: Tassen ja – aber keine Türgriffe, Sandhügel oder Türme aus Bauklötzchen.“ (Tomasello 2010, S.114)

Das ist ein weiterer Beleg dafür, daß wir es hier mit Gestaltwahrnehmung zu tun haben, und zwar in der von Plessner beschriebenen komplexqualitativen Form. Spelke kommt nun nach ihrer Analyse des Kernwissens zu dem Ergebnis, daß es der Sprache und ihrer Fähigkeit zur Kategorienbildung bedarf, um die bei Kleinkindern noch getrennten Kernkompetenzen, z.B. das Erkennen von Objekten (1, 3 und 4) und Handlungen (2 und 5), zusammenzufügen: „Sprache – ein Kombinationswerkzeug par excellence – dient dazu, Repräsentationen von Objekten und Handlungen schnell, flexibel und produktiv zu kombinieren, was es uns ermöglicht, Wissen über Werkzeuge zu erwerben und sie zu gebrauchen.“ (Tomasello 2010, S.117)

Mit dieser Schlußfolgerung geht Spelke nun sogar so weit, Tomasellos phylogenetische und ontogenetische Analyse der Ursprünge der Sprachentwicklung als einer Entwicklungslinie von der geteilten Intentionalität zur Sprache umzukehren: „Es ist ... nicht ausgeschlossen, daß der Pfeil in die andere Richtung zeigt. Die einzigartigen Formen der geteilten Intentionalität der Menschen könnten von unseren speziellen Fähigkeiten zur produktiven Kombination von Kernrepräsentationen abhängig sein. ... Nur Sprache hat rein menschliche Kernfundamente und dient dazu, Konzepte innerhalb und über alle Wissensgebiete hinweg zu repräsentieren und auszudrücken. Die einzigartige Fähigkeit der Menschen, unterschiedliche Kernrepräsentationen schnell, produktiv und flexibel zu verbinden, könnte daher in unserer angeborenen Sprachfähigkeit begründet sein.“ (Tomasello 2010, S.118f.)

Dabei übersieht Spelke aber, daß sie sich ein neues Problem einhandelt. Wenn nämlich erst die Sprache geteilte Intentionalität ermöglicht, stellt sich sofort wieder die Frage, wo denn diese Sprache herkommt? Geteilte Intentionalität läßt sich phylogenetisch ohne weiteres auf die auch bei Menschenaffen beobachtbare Mutualität, also auf die auf Gegenseitigkeit beruhende Kooperation zurückführen. Von ihr aus kommen wir ohne weitere Probleme zur Sprache. Wenn aber geteilte Intentionalität auf Sprache beruht, worauf soll dann die Sprache selbst phylogenetisch zurückgeführt werden? Wir hätten es, mit de Waal gesprochen, mit einer „enormen Anomalie“ zu tun: „Sogar der Hals der Giraffe ist immer noch ein Hals. Die Natur kennt nur Variationen über Themen. Das gilt auch für die Kooperation.“  (de Waal 2011, S.237) – Und das gilt nicht nur für die Kooperation, sondern eben auch für die Sprache.

Spelke behilft sich mit der Formulierung „angeborene Sprachfähigkeit“, die aber eben die Vorstellung von spezifischen, evolutionär entstandenen Genen beinhaltet. Auch wenn man inzwischen der Meinung ist, so ein Sprachgen gefunden zu haben – das, wenn man es Mäusen einpflanzt, dazu führt, daß sie anders pfeifen –, so gilt auch für dieses, was Tomasello generell über das Verhältnis von Biologie und Kultur festhält: „Die normale menschliche Ontogenese umfaßt ... zwingend eine kulturelle Dimension, die in der Entwicklung anderer Primaten nicht vorkommt. ... Die Menschen sind biologisch daran angepaßt, in einem kulturellen Kontext heranzuwachsen.“ (Tomasello 2010, S.84) – Von einer „angeborenen Sprachfähigkeit“ zu sprechen, ist dann ungefähr so sinnvoll wie von einer angeborenen kulturellen Disposition zu sprechen.

Dabei besteht überhaupt kein Gegensatz zwischen Tomasellos geteilter Intentionalität und Spelkes „Sprachfähigkeit“, wenn man nicht darauf besteht, Sprachfähigkeit mit menschlicher Sprache gleichzusetzen. Denn die geteilte Intentionalität ist der Kern jeder allgemeinen (menschlichen) Sprachlichkeit, aus der sich schließlich eine konkrete Sprache ergeben kann. Kurz: ‚geteilte Intentionalität‘ ist bedeutungsgleich mit ‚Sprachfähigkeit‘! Das Attribut ‚angeboren‘ wäre dann als phylogenetischer Verbund von Biologie, Kultur und Ontogenese zu verstehen, und nicht als genetische Determination. Diese ganze begriffliche Problematik, was war eher, das Ei oder das Huhn?, ergibt sich letztlich nur aus Spelkes analytischem Vorgehen und dem anschließenden Versuch, die zerlegten Bestandteile des Kernbewußtseins wieder zusammenfügen zu müssen. Aus phylogenetischer und ontogenetischer Sicht ist die Chronologie der menschlichen Sprachentwicklung einfacher aus der geteilten Intentionalität heraus zu verstehen als von irgendwie genetisch isolierbaren, von der geteilten Intentionalität unabhängigen  Anlagen der Sprachentwicklung her.

Der wissenschaftliche Glaube an kontrollierten, analytischen Studien, die oft ohne weitere Präzisierung pauschal als einzigartig oder wunderbar bezeichnet werden und auf deren „neueste Ergebnisse“ man sich immer wieder gerne bezieht, um die eigene Argumentation abzustützen, erinnert mich an die Scholastik des Mittelalters, wo man sich gerne auf „Aristoteles“ berief und damit jede weitergehende Begründung für die eigene Position für überflüssig hielt. Als Leser solcher auf Studien sich berufenden wissenschaftlichen Abhandlungen bleibt man von detaillierteren Informationen hinsichtlich der Methodik und der Resultate ‚verschont‘. Oft werden solche Studien – mangels Zeit und Geld – dann auch von keinem anderen Wissenschaftler mehr nachgeprüft, so daß mögliche Fehler oder gar Täuschungsabsichten der Experimentatoren unentdeckt bleiben.

Natürlich beziehe auch ich mich immer wieder auf Plessner – und übrigens auch gerne auf Tomasello –, um meine eigenen Argumentationen zu stützen. Letztlich liefern solche Autoren und natürlich auch wissenschaftliche Studien komplexe Argumentationszusammenhänge, die man wiederum aus zeitlichen Gründen nicht einfach immer wieder wiederholen kann. Verweise auf diese Autoren – und Studien – müssen deshalb für die Argumentation selbst stehen und insofern genügen. Dennoch erlaube ich mir eine Unabhängigkeit des Denkens, wenn ich z.B. Plessners Gesellschaftsheroismus kritisiere. (Vgl. meinen Post vom 17.11.2010) Aber leider beinhaltet der Verweis auf Forschungsprogramme und wissenschaftliche Studien – wie in der Scholastik der Verweis auf Aristoteles und noch früher der Verweis auf die Bibel –, immer auch ein Denkverbot: was einmal ‚bewiesen‘ wurde, braucht nicht mehr hinterfragt zu werden.

So funktioniert z.B. auch Carol S. Dwecks summarischer Verweis auf „mehr und mehr Beweise dafür, daß die grundlegenden Aspekte des Wort- und Syntaxerwerbs aus statistischen Mustern der sprachlichen Äußerungen abgeleitet werden, die das Kind hört.()“ (S.96f.) – Im Anmerkungsapparat kann man dann nachlesen, in welcher Zeitschrift die Quelle für diese Behauptung zu finden ist. (Vgl. Tomasello 2010, S.134) Zu vermuten ist, daß dort genauso wenig wie bei Dweck selbst problematisiert wird, inwiefern Statistik als wissenschaftliche Methode zugleich als Prinzip eines Bewußtseinsprozesses fungieren kann, in dem es um Sinnverstehen und die Generierung von Bedeutungen geht. (Vgl. meinen Post vom 24.07.2011) Eine solche Rückfrage erübrigt sich natürlich auch angesichts der beeindruckenden Anhäufung von ‚Beweisen‘, die man in der besagten Quelle vorfinden kann.

Letztlich täuscht dieser Glaube an die „wunderbaren Forschungsprogramm(e)“, wie wiederum Dweck formuliert (vgl. Tomasello 2010, S.97), darüber hinweg, daß auch diese Studien nicht nackte Tatsachen liefern, sondern experimentell erstellte Daten, denen schon Interpretationsprozesse vorangegangen sind und die selbst auch wieder interpretiert werden müssen. Wir müssen sie also verstehen, um etwas mit ihnen anfangen zu können. Die wichtigste Voraussetzung für so einen Verstehensprozeß ist aber, daß man allererst darin geübt ist, sich selbst zu verstehen, also Empathie zu entwickeln, – und damit wären wir wieder bei de Waal angelangt. Letztlich kommt es also auch hier wieder auf eine wissenschaftlich ‚kontrollierte‘ Verhältnisbestimmung von Naivität und Reflexion an. So wissenschaftlich kann keine Studie sein, daß ihr nicht auch Naivitäten zugrundelägen.

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