„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Samstag, 18. Juni 2022

PC-Exzeß zum zweiten

Wie liest man ein Buch, wo man, vorsichtig geschätzt, in jedem zweiten Absatz auf einen typographischen Warnblitz stößt? Nehmen wir mal an, ich hätte tatsächlich eine entsprechende Empfindlichkeit, so müßte für mich der Text, wo immer mich Warnzeichen zum Weggucken auffordern, Lücken aufweisen, vergleichbar den geschwärzten Passagen in IM-Dokumenten aus dem Stasiarchiv. Ich müßte also mit einer äußerst unvollständigen Lektüre vorliebnehmen.

Wäre es da nicht besser gewesen, einfach dem ganzen Buch eine Triggerwarnung voranzustellen, wie bei den FSK-Hinweisen für nicht jugendfreie Publikationen? Dann würden sowieso nur diejenigen Leserinnen und Leser das Buch lesen, die ihm psychisch und intellektuell gewachsen sind.

Inhaltlich scheint, so weit ich bis jetzt gelesen habe, alles korrekt zu sein, bis auf jene Stelle, wo von „Deutschlands Wirtschaftsminister Christian Lindner“ die Rede ist. (Vgl. Arndt 2022, S.31) Gestern jedenfalls war er meines Wissens noch Bundesfinanzminister gewesen.

In der Einleitung thematisiert die Autorin ihre eigene Person, um, wie ich vermute, Vorwürfen zu begegnen, daß sie als weiße Frau gar nicht berechtigt sei, über Rassismus zu schreiben. Deshalb hebt sie selbst genau diesen Umstand hervor: „Ich wurde vom Rassismus (anders als im Rest des Buches erstaunlicherweise nicht durchgestrichen – DZ) als weiße Person sozialisiert.“ – Und sie gesteht noch im selben Absatz ein: „Damit bin ich diskriminierender Teil des systemischen Rassismus (wieder nicht durchgestrichen – DZ) und seiner Sprache.“ (Arndt 2022, S.12)

Ich hätte ja noch gerne gewußt, ob sie zur LGBTQ-Gemeinde gehört, was ja wegen der damit verbundenen Diskriminierungserfahrungen ein Pluspunkt für die Autorin wäre, oder ob sie vielleicht (Triggerwarnung!) heterosexuell orientiert ist, was ihre Verstrickung in systemisches Unrecht noch erheblich vergrößern würde. Immerhin, das Wort ‚heterosexuell‘ taucht in den Listen durchgestrichener Unwörter nicht auf. (Vgl. Arndt 2022, S.6f. und S.221f.) Aber ich gehe mal davon aus, daß diese Listen nicht vollständig sind.

4 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Ich vermute mal, daß Sie eher das Gegenteil meinen. Inhaltlich habe ich mich zum Buch ja bis jetzt noch gar nicht geäußert. Kommt noch, wenn ich damit durch bin. Vielleicht.

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  2. Susan Arndt ist mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk verheiratet und hat vier Kinder.

    Danke für den Buchtipp.
    Aiko

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    1. Eigentlich hatte ich meine Frage nach der sexuellen Orientierung der Autorin ironisch gemeint. Ich habe wenig Interesse an privaten Daten der Autorinnen und Toren der von mir besprochenen Texte.

      Aber es schön, mal wieder einen Kommentar von Dir zu lesen.
      Detlef

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