- Methode
- Emergenz und Evolution: Rückblick auf begriffliche Widersprüche und Unstimmigkeiten in der Komplexitätsforschung
- Eigenschaften im Wartezustand: Woher kommt die neue Gestalt?
- Zur Intentionalität: jagen Schwärme?
Wir haben es aber bei dieser Science Fiction nicht nur mit einer der wissenschaftlichen Theoriebildung ebenbürtigen Form der Selbstvergewisserung über den aktuellen Wissensstand zu tun. Die Science Fiction hat darüberhinaus auch ein eigenes analytisches Potential, „das nicht nur die Struktur eines gegebenen Wissensstands exploriert, sondern auch seine Voraussetzungen, seine Umsetzbarkeit, Folgen und Pathologien mit bedenken kann. Damit erlauben es gerade Fiktionen, Wissensformationen gleichsam erzählerisch zu durchleuchten: ihre Potentiale ebenso wie ihre blinden Flecke und unbefragten Grundannahmen.“ (Vgl. Horn 2009, S.104)
Das analytische Potential der Science Fiction besteht demnach darin, die verschiedenen, an der Komplexitätsforschung beteiligten Disziplinen über ihren jeweiligen spezifischen disziplinären Beitrag („Potentiale“, „Grundannahmen“), über ihre Grenzen („blinde Flecke“), über ihre wechselseitige Verwiesenheit („Geflecht“ und „Struktur“) und über ihre gesellschaftliche Verantwortung („Umsetzbarkeit, Folgen und Pathologien“) aufzuklären. Damit löst die Science Fiction genau das ein, was die Idee der Universität einmal – vor der Bologna-Reform – ausgemacht hatte: die gemeinsame Arbeit an einem umfassenden, der Zukunft des Menschen dienenden Wissenssystem. Horns Beitrag ähnelt also dem Beitrag der Poetologie in „Gehirn und Gedicht“ (Schrott/Jacobs).
Dieses Geschichtenerzählen der Science Fiction ist nicht nur der Gegenstand literaturwissenschaftlicher Analysen. Es bildet in Form der Evolution tatsächlich zugleich ein naturwissenschaftliches Prinzip. Denn die ex-post-Beschreibungen evolutionärer Anpassungsprozesse stellen selber wieder ‚Geschichten‘ dar: „Das Narrativ ‚Evolution‘ in seiner (neo)darwinistischen Ausprägung ist ein kontinuierlicher, gradueller Prozess ohne Sprünge, das Auftauchen neuer, unableitbarer Formen von Leben ist hier nur ex post und nur als Form der Umweltanpassung beschreibbar.“ (S.114)
Horn beschreibt nun anhand der Science Fiction das Erklärungspotential dieses Narrativs und weist seine Grenzen auf. Dabei handelt es sich insbesondere um jene Grenze, die sich exakt am „Umschlagspunkt“ zur Emergenz und seiner prinzipiellen Unvorhersehbarkeit befindet. (Vgl. Horn 2009, S.106) Die Frage ist also, inwiefern die Emergenz mit der Evolution als Erklärungsmodell konkurriert (oder sie sogar ablöst?) und was das für das Narrativ bedeutet, also für die Erzählbarkeit der mit emergenten Phänomenen verbundenen Geschichten. Darauf möchte ich in den folgenden Posts näher eingehen.
Download
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen