„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Samstag, 7. April 2018

Das Licht des Glaubens

1. Glaube als Argumentationsmodus
2. Glaube als Vernunft
3. Glaube als Sinnesorgan
4. Glaube als Kommunikationsform: persönliches Angesprochensein
5. Glaube als Kommunikationsform: Vermittlung
6. Glaube als Kommunikationsform: Nächstenliebe
7. Glaube als Unterwerfung
8. Glaube als Unglaube
9. Glaube als Reinheit

Das Hören des Wortes Gottes ist mit „Gehorsam“ verbunden. (Vgl.Nr.29) Zum „Gehorsam“ wiederum gehört die vollständige Unterwerfung des eigenen Verstandes und Willens:
„Dem offenbarenden Gott ist der ‚Gehorsam des Glaubens‘ ... zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als Ganzer in Freiheit, indem er sich dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft und seiner Offenbarung willig zustimmt.“ (Nr.29, Fußnote 23)
Wie aber ‚offenbart‘ sich dieser Gott, dem sich der Gläubige unterwerfen soll? Drei Kommunikationsformen kommen nach dem Zeugnis der Bibel für die Offenbarung in Betracht: die persönliche Anrede durch Gott, die Nächstenliebe und die Vermittlung durch eine besonders „kundige“ und „glaubwürdige“ Autorität. (Vgl.Nr.18) Auf solche Autoritäten sind vor allem diejenigen Gläubigen angewiesen, denen die Gnade einer persönlichen Anrede durch Gott versagt geblieben ist. Und die ‚Offenbarung‘, die uns in der Nächstenliebe begegnet, hat es an sich, daß sie nicht sehr beredt ist und sich damit begnügt, wenn wir dem Nächsten in seiner Not beistehen.

Um sich mit seinem Verstand und seinem Willen der Offenbarung Gottes unterwerfen zu können, bedarf es eines ausgefeilten Gesetzeswerkes, das uns im Detail eine bestimmte Lebensführung verordnet. Und es sind vor allem Gottes Mittler, allen voran Moses, die uns dieses von Gott geoffenbarte Gesetzeswerk vorlegen. Wenn den Gläubigen dieser Mittler abhanden kommt, so kommt ihnen auch der Glaube abhanden, wie man an den Israeliten sehen kann, die aufgrund der langen Abwesenheit von Moses nicht mehr wissen, was sie glauben sollen und sich deshalb ein goldenes Kalb erschaffen. Sie demonstrieren damit weiterhin ihre bedingungslose Bereitschaft zur vollständigen Unterwerfung, nur eben an die falsche Adresse gerichtet. Das ist die „Versuchung des Unglaubens“. (Vgl.Nr.13)

Weil Gott also dazu neigt, sein Antlitz zu verbergen (vgl.Nr.13) und sich damit kaum jemand persönlich angesprochen fühlen kann, bedarf es des Mittlers und der vollständigen Unterwerfung des eigenen Verstandes und des eigenen Willens, und das auch noch „willig“. In völliger Freiheit soll sich der Gläubige seiner Freiheit entledigen. Wie der Konzilstext vom zweiten Vaticanum ergänzt, ist diese Freiwilligkeit „ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes“ nicht möglich. (Vgl.Nr.29, Fußnote 23) Eine gewisse persönliche Ansprache durch Gott bleibt also doch unverzichtbar.

Für diejenigen aber, vor denen sich das „Antlitz Gottes“ hartnäckig und dauerhaft verbirgt, gilt, daß diese Verborgenheit als Einladung zu verstehen ist, „sich der Quelle des Lichtes zu öffnen, indem man das Geheimnis eines Angesichts respektiert“, das, so das Versprechen, „sich auf persönliche Weise und zum richtigen Zeitpunkt offenbaren will“. (Vgl.Nr.13) – Ein befristeter Denkverzicht, der im Falle der Offenbarung dann in einen endgültigen Denkverzicht umgewandelt werden kann.

Jeder ist also dazu aufgerufen, seinen Verstand auszuschalten: die Gläubigen, indem sie sich vollständig und willig der Offenbarung und ihren Vermittlern unterwerfen, und die Ungläubigen, indem sie das Geheimnis respektieren und es nicht mutwillig in Frage stellen. Überall Denkverbote. Niemand ist davon ausgenommen.

Kant hat für diese Freiheit, von seiner Freiheit nicht nur keinen Gebrauch zu machen, sondern auch noch ‚willig‘ auf sie zu verzichten, ein Wort: selbstverschuldete Unmündigkeit.

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