„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Montag, 21. September 2015

Serjoscha P. Ostermeyer/Stina-Katharina Krüger (Hg.), Aufgabenorientierte Wissenschaft. Formen transdisziplinärer Versammlung, Münster/New York 2015

(Waxmann, 280 S., br., 34,90 €)

Kirsten Sobotta: Sprache als sinnerzeugendes Medium oder wie Metaphorik als spezifisches sprachimmanentes Verfahren menschlicher Erkenntnisgenerierung auch erklärt werden könnte, S.110-119


Kirsten Sobotta bringt die These ihres Beitrags schon in der Überschrift deutlich genug zum Ausdruck. Wenn die Sprache selbst als sinnerzeugendes Medium zu verstehen ist, ist der individuelle Beitrag des einzelnen sprechenden Individuums zu dieser Sinnerzeugung nicht mehr besonders relevant. Darüber hinaus bezeichnet Sobotta die Metaphorik als „spezifisches sprachimmanentes Verfahren menschlicher Erkenntnisgenerierung“. Diese Sprachimmanenz der Metaphorik wie überhaupt der „Sinngenerierung“ (Sobotta 2015, S.112) bildet einen im Titel vorweggenommenen Hinweis darauf, daß, wie es im Beitrag von Sobotta heißt, der „Sinn sprachlicher Metaphern ... nicht etwa anhand einer sprach- bzw. symboltranszendenten Realität oder Mentalität (beglaubigt)“ werden könne (vgl. Sobotta 2015, S.111).

„Sinngenerierung“ ist Sobotta zufolge nur „symbolsystemimmanent“ möglich (vgl. Sobotta 2015, S.111), „intramedial“ und „intermedial“, indem sich „Medien auf Medien“ ‚zurückbiegen‘ (vgl. Sobotta 2015, S.112). Damit spielt die subjektive Differenz von Sagen und Meinen in ihrem medial-sprachsystemimmanenten Konzept keine Rolle. Das zeigt sich auch an ihrer Version der „Embodiment-These“. (Vgl. Sobotta 2015, S.111) Mit Embodiment bzw. Verkörperung meint sie nicht etwa die Rückbindung des Denkens und Sprechens „auf sensomotorische Erfahrungen“ (vgl. Sobott 2015, S.111, Anm.6), sondern die mediale Verfaßtheit des Kommunikationssystems, den „performativen Fluss“ des aktuellen Gebrauchs „usueller Bedeutung(en)“ (Sobotta 2015, S.112), in dem spontane Metaphernbildungen als Wirbel im Strömen der Sinngenerierung auftreten und ‚Stockungen‘ erzeugen. Und die Funktion der „interagierenden Subjekte“ (Sobotta 2015, S.112) besteht darin, die durch die Stockung zueinander verschobenen Prätexte und Kontexte neu zu verschalten, um den Sinnstrom wieder fließen zu lassen. (Vgl. Sobotta 2015, S.113)

Da war der späte Wittgenstein, auf dessen „Tractatus“ Sobotta sich bezieht, selbst schon weiter. Der ‚Körper‘ war bei ihm im konkret leiblichen Sinn das eigentliche sinnstiftende Fundament der Sprache. (Vgl. meinen Post vom 01.07.2015) Bevor wir Sprache gebrauchen, gebrauchen wir unseren Körper. Nicht sprachimmanent, sondern „sprach- und symboltranszendent“, sensomotorisch, nicht medial ergibt sich die ursprünglichste Sinnerfahrung, aus der alle Kommunikation hervorgeht.
PS (22.09.2015): Mein Gesprächspartner Georg Reischel meint mit Bezug auf einige meiner letzten Posts, daß ich dabei sei „abzudriften“. Er hat vermutlich Recht, denn ich bin momentan in einer ziemlich zornigen Stimmung, was dazu verleitet, unfair zu werden. Sobottas Beitrag bietet tatsächlich einige interessante Perspektiven auf den Metaphernbegriff, abgesehen davon, daß ich ihr Konzept für verfehlt halte. Ich hätte mir mehr Mühe geben können, das herauszuarbeiten.
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